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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0198
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170

Die Kirchenordnungen. Ernestinisches Sachsen.

halten werden, das ein caplan und kirchner mit-
gehe, und die leute vermanet werden auf der
canzel mit zu gehen, und bei dem begrebnis, das
deudsche gesang, mitten in dem leben, singen lassen.
Wir hören auch , das unschicklich gepredigt
wird von den sechswochen, so die frauen halten
nach der geburt, dadurch etliche frauen gezwungen,
unangesehen, das sie schwach gewesen, an die
erbeit zu gehen, und davon in krankheit gefallen,
und gestorben sein sollen.
Darumb haben wir für nötig geacht, die
pfarherr zu vermanen, von dieser und dergleichen
gewonheit bescheiden zu reden. Denn es sind die
sechswochen geordnet im gesetz Mosi, im dritten buch
Mosi am 12. Capitel. Wiewol nu das gesetz auf-
gehaben, so sind dennoch diese stück, die uns
nicht allein das gesetz, sondern auch die natur
leret, nicht aufgehaben, als nemlich, die natür-
liche und sittliche ding, was die natur und sitten
belanget. Darümb auch S. Paulus in der 1. zun
Corinthern, ja auch die natur selbs leret und an-
zeigt, das man die gesetz, die uns die natur leret
zu halten, schuldig ist. Darümb sol auch der
frauen so lang verschonet werden, bis das sie zu
rechten kreften wider komen, welchs nicht wol in
weniger zeit, denn in sechs wochen geschehen mag.
Es ist nicht sunde, für solcher zeit ausgehen, aber
sunde ists, dem leib schaden zufügen, wie auch
nicht sunde ist, wein trinken, dennoch sol man
einem fieberkranken, von wegen der krankheit,
nicht wein geben. Also auch in diesem fall, sol
man des leibs notdurft bedenken, und eine zucht
halten, und nicht die christliche freiheit brauchen
zu schaden des leibs, oder zu unzucht. Denn es
gehet eben zu mit unzüchtigem brauch der christ-
lichen freiheit, als wenn ein fürst eine herde
schwein zu sich zu tisch rüfet, die verstehen solche
ehre nicht, sondern verwüsten nur, was inen für-
gesetzt wird, und machen den herrn auch unrein.
Also der pöfel, so sie hören von der freiheit,
wissen sie nicht, was solche freiheit ist, und wenen,
sie sollen keiner zucht, keiner guten sitten nicht
achten, damit denn auch gott gelestert wird.
Vom rechten christlichen bann.
Es were auch gut, das man die strafe des
rechten und christlichen banns, davon geschrieben
stehet, Matth, am 18. nicht ganz liesse abgehen1).
Darümb, welche in öffentlichen lastern, als ehe-
bruch, teglicher füllerei, und der gleichen liegen,
und davon nicht lassen wollen, sollen nicht zu
dem heiligen sacrament zugelassen werden. Doch
sollen sie etliche mal zuvor vermanet werden, das
sie sich bessern. Darnach, so sie sich nicht bessern,
mag man sie in bann verkündigen. Diese strafe
1) 1538 statt [nicht ganz .. ab gehen]: nicht
liesse abgehen.

sol auch nicht veracht werden, denn weil sie ein
fluch ist, von gott geboten uber die sunder, so
sol mans nicht gering achten, denn solcher fluch
ist nicht vergeblich, wie denn Paulus in der 1.
zun Corinthern am 5. den, der mit seiner stief-
mutter zu schaffen gehabt, dem teufel zum ver-
derben des fleischs. ubergab, auf das der geist
selig würde am tage des herrn.
Es mügen auch die verbante wol in die pre-
digt gehen, denn lesst man doch auch die jüden
und heiden in die predigt gehen.
Viel pfarherr1) zanken sich auch mit den
pfarrleuten umb unnötige und kindische sachen,
als vom pacem leuten, und der gleichen. An
solchen sachen sollen billich die pfarherr, als
die vernunftigen, umb friedens willen, den leuten
weichen, und sie unterrichten, wo solchs leuten
unrecht gebraucht, das es nu fort wol gebraucht
würde, denn wiewol an etlichen orten, der brauch
gehalten, das wider das ungewitter die glocken
geleutet sind worden, welchs auch sonder zweivel
anfenklich wol gemeinet sein wird, villeicht das
volk dadurch zu reizen, gott zu bitten, das er
uns die früchte der erden, und für andern schaden
behüte.
Dieweil aber das selbige leuten hernachmals
misgebraucht, und dafür gehalten ist worden, das
die glocken, und villeicht umb des willen, das
man eine zeitlang fürgenomen die selben zu
'weihen, das wetter vertreiben solten, were nicht
böse, das die prediger in sommerzeit, das volk
vermaneten, so sich ungewitter hebet, und wo man
leutet, das solche gewonheit darümb gehalten
werde, nicht das der glocken dohn und weihung
der glocken das wetter oder frost vertreibe, wie
bisher geleret und gehalten ist worden, sondern
das man. dadurch erinnert würde, gott zu bitten,
uns die früchte der erden behüten. Und das unser
leben und narung warhaftige gaben gottes sind,
welche on gottes hülfe nicht mögen erhalten
werden. Es gebe auch gott ungewitter zur strafe,
wie im Mose an viel orten angezeigt ist, und da-
gegen gut wetter ist eine gute gab gottes, wie
Moses spricht zum volk, so sie gott förchten, und
seinem wort gehorchen werden, so werde ihnen
gott regen zu rechter zeit geben, levitici am 26.
und deuteronomii am 28.
Wenn nu das leuten abgethan, so würde
villeicht das volk deste weniger erinnert, das von
gott das wetter kömpt, und rüfet gott deste
minder an.
Es würden auch die leute deste wilder, wenn
sie nicht vermanet werden, gott umb leben und
narung zu bitten.
Doch mus das der prediger viel bas ausrichten,
1) [Viel pfarherr u. s. w. bis Schluss dieses
Kapitels] fehlt in der Ausgabe von 1538.
 
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