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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0218
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Die Kirchenordnungen. Ernestinisches Sachsen.

Der pfarrer, prediger, caplan und
anderer priester bevelch.
Sich christlicher lere und lebens auch mit
cleidung und sonst auch on ergernus zuhalten ver-
möge des gedruckten unterrichts der visitatorn,
Die sacrament nach Christi einsetzung zu-
reichen, als nemlich in zweierlei gestalt,
Item sie sollen auch die christliche ceremonien
eintrechtiglich und gleichformig, bevor mit der
messe, und die messe im mesgewand weil sie noch
vorhanden, auch mit allen festen in der visitatorn
unterricht verfast sovil moglich halden, sonderlich
nach der ordenung zu Wittenberg,
Item die pfarrer bevor in dorfern, sollen auch
alle sontag des sommers umb zwelf hora, im winter
umb vesper zeit ein puls leuten lassen und aldo
mit den kindern, aus dem catechismus oder kinder
lere, vom vater unser, zehen gepoten, glauben und
sacramenten mit vleis reden, desgleichen sollen


grossen und clein catechismum mit geburlicher
abteilung, als nemlich den grossen catechismum
am sontag nach mittag, den clein aber etlich tage
in der wochen auch nach mittag halden,
Sollen sich auch weltlicher hendel enthalten
und meniglich zugehorsam der obrickeit treulich
vermanen und weisen, wo auch jemants von den
priestern, oder den iren ubel reden wurde, das-
selbe uf der canzel nicht eifern, sondern der
obrickeit anzeigen lassen,
Niemants soll sich auch der irrigen eesachen
alleine underziehen, sondern wo es die vom adel
oder pfarrer erfuren nicht verschweigen noch under-
drucken, sonder an das ampt und ander gehorige
orter, auch zu dem pfarrer des ampts, welcher
darzu verordent, das er auf die andern pfarrer
ein aufsehen haben soll, das sie recht predigen,
leren1) und leben des orts weisen,
Die prediger sollen auch die laster mit gottes
wort guter massen und on ergernus strafen, und
die leute zum hochwirdigen sacrament, predigt
und gepet treulich erinnern, wo sie auch irrthumb

vleis darauf ein aug haben das sich niemants einiger
irrigen secten wider die gottliche sacrament oder sonst
unterstee, do sichs aber iemants unterstunde, der soll
treulich darvon gewiesen werden, wurde er aber hal-
starriglich in seinem bosen, unchristlichen fürnemen
verharren, so sol er sich des lands enteussern und weg
wenden,
Man sol auch hinfurder kein hauptsumma in ge-
mein kasten on vorwissen des pfarrers superattendenten
und rats austhun, oder auch etwas ausgeben,
Das auch in allewege das ampt rat und iderman
der bevehl hat, ob der visitation ordenung treulich und
ernstlich halte, und getreue und fleissige kirchen und
schuldiener, dessgleichen den gemeinen kasten, hospital,
haus und ander arme leute in günstigem und treulichem
bevehl haben.“
1) W.: „leren“ fehlt.

in der lere oder den heiligen sacramenten erfaren,
durch getreue predigt und vorbitt vleissig vor-
warnen, und anzuzeigen,
Sie sollen sich auch des spilens, trinkens, in
kretschmereien, zanks und anderer laster und
ergernus enthalden,
Sie sollen sich hinfur bessern und vleissiger
studiren den bisher bescheen, mit bedrauung
kunftiger entsetzung, wo es nicht geschee,
Sie sollen in predigten bei dem text des
evangelions treulich pleiben,
Sie sollen auch niemand zum hochwirdigen
sacrament unbefragt zu lassen, und sonderlich
einen jeden in sonderheit und nicht bei haufen
zuverhoren, die pfarrer 1) sollen auch hinfurder wo
jemants das hochwirdig sacrament in zweierlei ge-
stalt sein leben lang nit empfangen keinen zur
gefatterschaft zulassen, so er auch solchs an seinem
todbett nicht begert noch neme, soll derselbe mit
dem seelsorger schulen kirchen nit, sondern in
aller still auch unbeleut begraben werden,
Die priester aber die nicht predigen, sich zu
bevleissigen gottes wort vleissig zuhoren, den
andern gut exempel zugeben,
Sich der christlichen ordnung gemes zu halten,
Niemants vom evangelion und christlicher
ordnung zu ziehen und verhetzen, oder davon
spotlich und schimpflich reden,
Ob jemants rat und trost der gewissen bei 2 )
inen sucht sie nicht anders denn aus gottes wort
zu trosten, oder zum pfarrer oder prediger weisen,
Sich also erzeigen das sie mit irem wesen
und leben niemants ergerlich sind,
Sich vor allen secten, rotten, irthumb und
aufrur mit allem vleis zuhuten,
Sie sollen auch ein vleissig aug darauf haben
bevor die pfarrer, das die schulen wol ordentlich
und vleissig gehalden werden,
Der schulmeister und irer mitgehulfen
bevelch.
Ire schuler vor allen dingen zu gottes wort
ere und furcht treulich zuhalten,
Desgleichen sie zu erbarn sitten und geberden
zuweisen,
In allewege guten vleis zu haben, domit sie
so gelernet werden, das sie nicht zu frue von der
grammatica in hohere kunst getrieben werden,
Sonderlich sich zubevleissen die schule, nach
ausweisung3) der visitatorn gedruckten unterricht
zuhalden, damit viel mehr der schuler und ge-

1) Der Satz „die pfarrer — unbeleut begraben
werden“ fehlt in W. K. R.
2) K.: „von“.
3) K.: „anweisung“.
 
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