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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0221
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8. Gemeine verordnung und artikel der visitation in Meissen und der Voitlandt. 1533.

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dieselben zu solchen sachen am tuchtigsten an-
gesehen, wo aber die gemein an einem felh hette
oder wust, den mochten sie anzeigen, und ir gut-
dunken auch darthun. Wo nue die gemein zu solchen
vorsteern bewilligt, so sollen sie auf ein jar lang
bestetigt werden,
Dieselben vorsteer ampt ist das erstlich, das
sie alle sontag feste, und sonst wen man predigt
mit secklen umbgeen sollen in der kirchen, und
sammeln was von menniglich gegeben wird, und
am ende der messe oder predigt, sollen sie offent-
lich in den gemeinen kasten, welcher mitten in
der kirchen steen sol, schutten alles, was ge-
fallen ist.
Zum andern so sollen die vorsteer alle sontag
oder sonst ein tag in der wochen, sampt dem be-
stelten schreiber zusammen komen, und als dan
den armen leuten, welche sie aufzeigen sollen,
nach gelegenheit der sachen und schwacheit aus-
teilen, und hemelter schreiber soll alle einnam und
ausgab treulich sampt der jarrechnung beschreiben,
und davon jerlich 8 oder 10 fl. haben.
Zum dritten. So sollen die vorsteer des ge-
meinen kastens, wo es mit ichten gescheen kan,
auch die spital versorgen.
Zum vierden. Die vorsteer sollen auch die
arme leute verzeichnet haben, die in armut krank-
heit etc. gefallen sind. Demselben sollen sie
wochentlich geben einem 1 gr., dem andern 2,
dem dritten drei oder mer nach eines jeden not-
turft.

Zum funften, wen sie durch den pfarrer oder
caplan bericht werden, das irgent in einem haus
wer sei ein zeit oder stetigs als von alden von
kranken von schwangern weibern, so sollen die
vorsteer des gemeinen kastens furderlich irer ge-
sellen einen zu ihnen schicken die not doselbst
zubesichtigen und erfaren.
Zum sechsten so sollen sie aufs wenigst zwen
schlussel zum gemeinen kasten haben, als nemlich
die vorsteer vom rat einen, und die von der ge-
mein einen also das kein teil on den andern
konne schliessen oder offen.

Zum siebenden, so sol man die frombden ein
nacht oder zwo in spital nemen, welche aber
frombde bei inen krank werden, die sol man heilen
lassen oder sonst helfen, wo sie es bedurfen, wie
den andern, im ansehen, das gott sie zu inen ge-
fugt hat inen guts zuthun, sonst aber sol man
kein frombde, noch landstreicher und bettler an-
nemen, domit der gemein kast sampt dem volk
nicht beschwert werde.

Und solch armut zuerhalten sampt der unter-
haltung der pfarrer, prediger, caplan, schulmeister,
custer, seiner gehulfen etc. sollen dagegen in ge-
mein kasten geschlagen, und verordnet werden:
Zum ersten alle geistliche lehen die verlediget
Sehling, Kirchenordnungen.

sind ; zum andern desgleichen alle unverledigte
geistliche lehen, so sich mit der zeit durch der
besitzer absterben, verledigen, so vom rat und
patronen zu lehen geen; zum dritten alle stiftung,
als salve und gefallene bruderschaften ; zum vierden
aller spitel einkomen und kirchen güter; zum
funften, alles was von testament gefellt, und sonst
umb gottes willen geben wirt, solchs alles soll auch
in gemein kasten folgen.
Nach verscheinung des jars sollen die vorsteer
vor dem rat und gemein offentlich rechenschaft
thun, welche man den sontag zuvor aufm predig-
stuel nach oder zwischen der predigt offentlich
und meniglich verkündigt, wer darneben und bei
sein will, des macht habe, damit alle nachrede,
so vil moglich, verwart werde.
Bei solcher rechnung sollen auch die pfarrer
und prediger sitzen. Darauf andere vorsteer sollen
gewelet werden, doch also, das allwegen zwen
vorsteer des vergangen jars bei den vorsteern
bleiben, damit der gemein kast nicht denen be-
foln werde, die desselben rechnung und gelegen-
heit nicht wissen, noch versteen.
Ordnung der meidlein schule 1).
Der erste anfang mit den kindern, so noch
nit lesen konnen, ist gering, mit denen sol es also
gehalden werden. Morgens, so sie erst 2) in die
schul komen, soll man sie horen beten eins nach
dem andern, das auch die, so noch nit konnen
beten, mit solcher ubung des gebets gewaren3)
und domit lernen.
Und so die kinder das vater unser, glauben,
zehen gepot gelernet haben, sol man sie etlich
psalmen leren, als das gebet für die obirkeit, den
20 psalm der her erhore dich, darnach den
67 psalm gott sei uns gnedig und segne uns, den
34 ich will den hern loben, den 25 zu dir herr
erhebt sich mein seel, den 51 gott sei mir gnedig
nach deiner4) gute, den 118 wol dem der den
hern furcht, den 127 wo der herr nit das haus
bauet.
So sie gebet haben, soll man inen furgeben
zu lernen, und furlesen jedem nach seiner ge-
schicklichkeit. Man soll auch dise kinder zu der
kirchen halden, darumb sollen sie vor diser lectio
oder darnach wie es sich nach gelegenheit des
orts schicken will in die kirch gehen und so sie

1) Der Text dieses Abschnitts fehlt in der
Richter’schen Ausgabe.
2) Der Anfang im Wurzener Exemplar lautet bis
hierher: So balde der gemeine kasten des vermugens
wirt werden, das man auch ein meidlin schul kan be-
solden, so sol mans wie hernach volget halten, alle
morgen so bald die meidlin.
3) Wu.: „gewonen“.
4) Wu.: „seiner“.
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