Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0242
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
214

Die Kirchenordnungen. Ernestinisches Sachsen.

und meinen die grossen herrn und andre, wenn
sie eine mess gesehen haben, so haben sie gnad,
glück und heil, ob sie gleich sonst in öffentlichen
sünden verharren; und kommen viel grosser ur-
sachen zusammen, dass die welt fest ob diesen
irrthumben und missbrauch der messe hält. Erst-
lich sind viel hoher weiser regenten, die sagen,
man soll alle änderung meiden, und so die mess
nachgelassen würde, hätte das volk kein gottes-
dienst, bliebe ganz aus der kirchen, würde heid-
nisch etc. Weiter, sind gewohnheit, geniess,
autorität des priesterlichen standes grosse ursach,
dass man so fest ob der mess hält. Darum wissen
wir wohl, dass die reformatio der communio und
mess sehr schwer ist. Dieweil aber die gedachten
irrthumb und missbräuch so ganz grob und greif-
lich sind, ist hoch von nöthen, dass solche ver-
unreinigung des sacraments nicht veracht werde.
Und ist dieses allein der sicher weg, dass man
den ersten und alten brauch der communio und
mess wiederum anrichte, und kaufmess und privat-
mess fallen lasse, sondern halte an sonntagen und
andern feiertagen, und an andern tagen, so jemand
der communio begehret ein christliche ehrliche
mess, darin der priester etlichen verhörten und
absolvirten personen, wie gesagt ist, den leib und
das blut Christi reiche.
Weiter ist dieses auch zu bedenken. Dieweil
der gemeine mann nu dieses weiss, dass recht
und von Christo geordnet ist, dass man beide ge-
stalt des sacraments reichen und geniessen soll:
so sind viel, die mit beschwerung des gewissens
und in zweifel, ob sie recht thuen, die eine ge-
stalt allein empfahen, und ist davon in viel landen,
Beiern, Oestrich, Jülich und Niederland grosse
klage. Nu verhindert dieser zweifel rechte gottes
anrufung, und macht das herz unwillig gegen gott,
und scheuend vor dem sacrament, und folget oft
endliche verzagung. Diese last der gewissen sind
alle potestat schuldig weg zu thuen. Darum wäre
hoch von nöthen, beide gestalt wiederum anzu-
richten. Also ists auch mit den priestern an
vielen orten. Viel wissen, dass sie unrecht thuen,
dass sie um der gewohnheit willen und aus zwang
privatmess oder todtenmessen halten, und werden
doch also hart durch die herrschaften gedrungen,
dass sie solche mess halten. Diesen betrübten ge-
wissen sollten billig die potestat helfen, laut der
regel, dass keine menschliche satzung in der
kirchen zu Verderb dem gewissen und verhinderung
göttlicher anrufung, und rechter von gott gebotener
werk gestärkt werden soll, wie Paulus spricht:
uns ist gewalt gegeben nicht zum verderben, son-
dern besserung zu schaffen, und Christus straft
die Pharisäer Matth. 15, dass sie mit ihrem
menschen gesetz göttliche gebot verhinderten.
Ach gott gib gnad, dass die hohen potentaten

auch diese grosse sachen betrachten, und darauf
gedenken, dass abgötterei und Verunreinigung
göttlichs namens und der sacrament abgestellt, und
dem zweifel der gottseligen trost gegeben, und
rechte gotteserkenntniss und anrufung, rechte
gottesdienst und besserung angericht werde. Es
sind diese sachen nicht also verborgen oder subtil,
dass sie ein gottfürchtiger christlicher mensch
nicht richteu könne, sondern die wahrheit ist klar
und leicht zu verstehen dem, der sie von herzen
begehrt.
Weiter so ist ganz öffentlich, dass die ver-
folgung wider beide gestalt, wie auch wider andre
öffentliche wahrheit eine grosse sünde ist, die
gottes zorn und schreckliche plagen verursacht,
wie Christus Matth. 23 gesprochen hat: es werde
über die verfolger alles blut der gerechten kommen,
das vergossen ist von Abel an bis auf Zachariam etc.
Wer nu gott fürchtet, und sich der verfolgung nicht
will theilhaftig machen, und nicht will schädliche
irrthumb und verunreinigung des göttlichen namens
helfen stärken, der soll billig zu rechter refor-
mation diesem und andern artikeln helfen, und
nämlich in diesem artikel dahin arbeiten, dass die
kirchen recht vom sacrament des leibes und bluts
Christi unterwiesen, was da gereicht werde, und
wozu diese niessung eingesetzt und nützlich sei,
und die communio mit rechten verstand und glau-
ben und mit rechter zucht gehalten werden, dass
nicht das heilig sacrament den Säuen fürgeworfen
werde, wie es leider schrecklich zu sehen ist in
aller welt bei dem grossen haufen der ungelehrten
und gottlosen pfaffen und mönche, die mit ihrem
mess halten allein dem bauch dienen. Item bei
den anabaptisten und andern, so die sacrament
lastern und sagen, man reiche allein da brod und
wein, und seien allein zeichen, damit die christen
unter sich ihre einigkeit erzeigen, und seien nicht
zeugniss göttlicher gaben gegen uns; vertilgen also
die lehr vom glauben etc.
So ist klar aus den historien der alten
kirchen, dass bei dreihundert jaren nach der
aposteln zeit die privatmessen noch nicht gewöhn-
lich gewesen, und sind hernach eingeschlichen aus
unverstand, und aus geiz gemehret worden. Es
wäre auch gut, so gott gnad gäbe, zur einigkeit,
dass ein ziemliche gleichheit der mess gehalten
Avürde mit ehrlichen ceremonien, mit vorgehender
beicht der communicantem, mit dem stehen vor
dem altar, dass nicht eine solche unordnung, wie
an etlichen orten ist, dass die priester hinter dem
tisch stehen etc.
Vom anrufen der verstorben heiligen.
Hie wollen wir diesen artikel auch anhängen.
Denn es ist ganz öffentlich, dass die welt voll ab-
götterei ist mit dem heiligendienst. Gott spricht
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften