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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0244
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216

Die Kirchenordnungen. Ernestinisches Sachsen.

spricht, dieweil man es mit morden zu erhalten
unterstehet. Es sind nu in Deutschland über
zehntausend eheliche priester, die so viel frommer
ehelicher frauen und viel mehr kindlein haben,
deren viel sind, die gott recht und seliglich dienen,
gott recht anrufen und preisen und zu ewiger
seligkeit kommen, und ewige gliedmass Christi
bleiben werden. An solchen gliedmassen Christi
sich zu vergreifen und blut vergiessen anzurichten
wäre ganz schrecklich.
Es ist auch ferner gemeine nothdurft der
kirchen zu bedenken. Denn so man das ehe-
verbot nicht abthuet, werden die kirchen nicht
seelsorger und prediger haben. Denn gottfürchtige
leut fliehen jetzund den priesterstand derwegen,
dass sie ihr gewissen nicht mit diesem verbot und
sünden, die es mitbringet, beladen wollen; wie
man weiss, dass löbliche fürsten, graven und edlen
ihre canonicat verlassen haben, damit sie nicht in
unzucht lebten; und geschieht dergleichen viel
von geringen, doch gottfürchtigen personen und
guten ingeniis. Ueber dieses alles ist ja schreck-
lich, dass man lieber ehelose, leichtfertige, un-
züchtige, ungelahrte priester haben will, denn ehe-
liche, gottfürchtige, gelahrte personen.
Was ferner zur erhaltung des ehestandes in
rechter christlicher zucht zu bedenken, ist den
geistlichen gerichten zu befehlen, so die selbigen
recht angerichtet würden.
Bis anher ist geredt von christlicher
lehr und von den sacramenten, welche stuck erst-
lich und fürnämlich in christlichem leben und der
kirchenregirung nöthig zu wissen und zu halten,
und treulich zu pflanzen und zu handhaben. Und
dieweil kein mensch und kein engel macht hat,
den ewigen unwandelbaren willen gottes, den er
im evangelio geoffenbaret, in der lehr, geboten
und sacramenten von ihm befohlen, zu ändern,
[so] sollen auch wir nichts daran verändern, und
aus eigner weisheit anderes, das dem evangelio
zuwider oder ungewiss ist, aufrichten. Der teufel
hat diese anfechtung im paradiese angefangen, und
hernach die heiden, auch Israel, und das christen-
thumb also geplaget, dass sie gottes wort aus den
augen gethan, und eigne gedanken von gott ge-
dichtet. Daher haben die allervernünftigsten
heiden, Egypter, Syrier, Chaldäer, Grecken,
Römer, so mancherlei gottesdienst aufgericht, und
ihre weltliche regiment damit gebunden. Das soll
die rechte kirche gottes nicht thuen, sondern soll
bei gottes wort bleiben, und den einigen ewigen
verstand der propheten und apostel bewahren und
erhalten, wie Galat. 1 geschrieben stehet: so ein
engel vom himmel ein ander evangelium predigen
würde, denn ich euch predigt habe, soll er ver-
bannet sein. Und ist allen menschen geboten,
die einige ewige wahrheit zu lernen, zu handhaben

und zu bekennen, wie der ewige vater vom himmel
spricht von Christo: diesen sollt ihr hören. Item
Matth. 10: wer euch bekennet vor den menschen,
den will ich auch bekennen vor meinem himm-
lischen vater.
Nu folget das dritte stuck von dem predig-
ampt oder ministerio evangelii, darin von den
personen und von den bischofen zu sagen.
Vom predigampt und bischoflichem
regiment.
Wie die hohen weisen regenten weltliche
königreich fassen mit hoheit der personen, ord-
nung der wahl und succession, bestimmung der
städt, mit gesetzen, gerichten, execution, schutz
und gütern, und solche fassungen gerathen einem
und dem andern nicht; als Cyro, Augusto und
etlichen mehr ists gerathen, es ist aber vielen,
als Pisistrato, Pompeio und andern nicht gerathen,
denn es muss auch gottes will und gabe dabei
sein: also viel mehr im kirchenregiment haben
die weisen viel grosser mühe und arbeit gehabt,
hoheit der personen, wahl und succession zu ord-
nen, und bisthumb aufzurichten und zu handhaben
der kirchen zu gut. Es ist aber sehr ungleich
gerathen. Denn wenn sie gleich solchs wohl ge-
fasset haben, so sind dieselbigen bischofe und
regirende personen selb zerstörer der kirchen
worden; wie man öffentlich siehet, das nu viel
hundert jahr die bischofe und ihre höfe der christ-
lichen lehr wenig geacht haben.
Gott hat selbs einmal auch ein bistumb ge-
fasset mit Aharon, das ist etwas über tausend jar
gestanden, und hat doch mancherlei untüchtiger
bischof gehabt. Zuvor ist gottes wort und kirche
länger denn zwei tausend jar geblieben, obgleich
kein gefasste bistumb, an gewisse ort und suc-
cession gebunden, die zeit gewesen. Und hernach
im judenthumb sind oft propheten und prediger
von gott erweckt, die durch die hohen bischofe
verfolgt sind. Darum ist unterschied zu merken
zwischen dem predigampt, das gott zu aller zeit
der kirchen gegeben hat, und gnädiglich selb für
und für erhält, und der bischoflichen hoheit, an
grosse ort und personen und succession gebunden.
Paulus sagt Eph. 4, der herr Christus sitze zur
rechten hand seines ewigen vaters, und gebe seiner
kirchen gaben, nämlich propheten, apostel, hirten
und lehrer, und setzet weiter dazu, dass Christus
darum diese prediger sende, und erhalte, dass ein
einträchtige gewisse lehr in der kirchen bleibe,
wie sie auch von Adam bis auf diese zeit in der
rechten kirchen blieben ist, und dass die kirch
nicht von gottes wort abgeführt, und in mancherlei
irrthumb getrieben werde, wie die heiden täglich
neue gottesdienst erdichten. Hie zeuget St. Paulus
klar, dass durch Christum das rechte predigampt
 
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