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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0248
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Die Kirchenordnungen. Ernestinisches Sachsen.

oft auf den mark führe. Gleichwohl fordert die
nothdurft, bei weilen synodos zu halten, von der
lehr oder von andern nöthigen sachen nützliche
unterrede zu haben, wie die apostoli synodos ge-
halten.
Zum sechsten sollen die bischofe als aufseher
auf die lehr besondern guten fleiss thuen, dass die
universitäten und particular-schulen recht bestellet
und versorget werden. Denn die universitäten
sind nu, wie vor zelten die ersten kapitel und
collegia, custodes doctrinae, die christliche lehr
bewahren sollen, und sollen zeugen sein, woher
die lehr kommet, die sie den kirchen austheilet.
Und wäre hoch von nöthen, dass geistliche und
weltliche oberkeit ihnen die studia und zucht der
jugend besser liessen befohlen sein, dass das
junge volk nicht so wild aufwüchse, sondern hätte
in ernster zucht, die sie zu christlichen übungen
gewöhnet. Zu diesen werken allen gehören gott-
fürchtige gelehrte männer, die man wohl haben
möcht, so man diesen fleiss thäte, dass zu den
prälaturen und präbenden solche männer, die man
brauchen könnte, gewählt würden. Denn wie viel
gelehrter leut jetzund auf den stiften zu finden,
das siehet man wohl, und besonder sind wenig,
die einen gründlichen verstand haben in christ-
licher lehr; und so man ehrliche männer haben
wollt, müsste der ehestand den canonicis und
stiften frei gelassen werden.
Ueber dieses alles, so ein christliche heilsame
reformation ins werk gebracht würde, ist zum
höhesten von nöthen, dass die bischofliche wahl
furthin also gehalten würde, dass solche bischofe
erwählet würden, die man nicht allein zur welt-
lichen regirung geschickt achtet, sondern auch,
die einen ziemlichen verstand christlicher lehr
hatten, und die kirchenregirung nicht verachten,
sondern erkenneten die rechten bischoflichen
ämpter, und hatten einen guten willen dazu.
Wiewohl aber die alten canones von der
wahl viel geordnet, welche personen und stände
in der wahl stimmen haben sollen, so achten doch
wir, dass die wahl bei den kapiteln, so sie christ-
liche lehr annehmen würden, zu lassen, und was
weiter die fürsten daran gerechtigkeit haben, dass
solchs unverändert bleibe. Denn dass man die
wahl auf die alte weise bringen wolle, nämlich
dass das volk oder die fürnehmsten aller stände
ihre stimme geben sollten, das hat vor zeiten viel
zerrüttung gemacht, würde jetzund auch unruge
gebären. [Es] sind auch die kapitel durch diesen
gelinden weg, so ihnen alle ihre hoheiten, digni-
tät, güter, administration und herrlichkeiten un-
verruckt bleiben, zu einer christlichen reformation,
die allein auf gottes gebot gegründet, nicht zu
bewegen, wie wohl zu achten. Denn der grösser
theil sind verstockte leut wie Pharao und die

heiden, sind epicurei voll trutz und unzucht. So
wird man sie viel weniger zur reformation be-
wegen, so man sie wiederum unter die alten
canones bringen, und ihnen ihre hoheiten und
herrlichkeiten nehmen wollte etc. Wollen sie denn
verfolger des heiligen evangelii bleiben, wie sie
bis anher gewesen und noch sind, so müssen wir
gott lassen richter sein, und sind diese handlungen
vergeblich. Denn wir sollen das heilige evan-
gelium nicht verläugnen , und das ministerium
evangelii nicht fallen lassen, und sollen schutz
und hülf von unserm heiland Christo hoffen und
warten.
Von kirchengerichten.
Gott hat weltlicher oberkeit, die das schwert
führet, befehl gethan, äusserliche ehrliche zucht
nach gottes geboten zu schützen und zu erhalten,
und mit leiblichem zwang alle, so wider äusser-
liche zucht und wider gemeinen frieden handeln,
zu strafen, und weiss männiglich, was in diese
gericht zu ziehen. Weiter hat gott auch ein ge-
richt geordnet in der kirchen, und dieweil das-
selbige ein weg sein soll zur busse, so tödtet es
den menschen nicht mit dem schwert, sondern
strafet mit gottes wort, und sonderung oder aus-
werfung aus der kirchen. Und nach dem evangelio'
ist dieses gerichts werk, allein unrechte lehr und
öffentliche sünde zu strafen. Darüber sind nu die
ehesachen in diese kirchengericht auch gezogen,
welches nicht übel bedacht ist. Denn es fallen oft
fragen für, da der richter den gewissen rathen
muss, welches die weltlichen gericht nicht achten.
Dass aber nu viel hundert jahr allerlei schuld-
sachen in diese gericht gezogen sind, item, dass
die päpst die kaiser in bann gethan, ihre macht
in Italia und Neapolis zu erhöhen, und dass der
bann und kirchengericht nicht gebraucht wird,
unzucht, ehebruch, ungehorsam der jugend gegen
den ältern, verachtung christlicher lehr und sacra-
ment zu strafen, diese missbräuch sollen furthin
abgeschafft werden. Und ist hohe nothdurft, die
kirchengericht mit ernst zu bestellen und zu
handhaben.
Und erstlich wissen alle verständigen, dass
ehesachen ein gross stuck menschlichen lebens
sind, und so viel und mancherlei fürfallen, dass
sie einen eignen gerichtsstuhl bedürfen. Nu kann
nicht ein jeder pfarrer so viel verstands haben,
solche sachen zu urtheilen; denn es sind oft so
verwickelte sachen, dass auch viel verständige und
gelahrten schwerlich bei sich schliessen können.
Darum ist noth, dass an etlichen bequemen für-
nehmen orten, welche die leut ohne grosse zehrung
erreichen können, in bistumben und landen ge-
wisse gericht und consistoria geordnet werden,
 
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