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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0247
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14. Wittenbergische Reformation. 1545.

219

die kapitel eine gestalt haben, das wollt ein jeder
selbs betrachten. Nu sind gleichwohl viel in
kapiteln, die nicht epicurei sind, sondern fürchten
gottes gericht. Diesen wollten wir auch gerne
zur seligkeit dienen, und, so viel gott gnad ver-
leihen wollt, diese jetzige bistumb zu besserung
bringen. Denn diese letzte zeit der welt wird
nicht mehr aus den thumbkapiteln Eliae oder
Elisaei schul machen; doch so sie wollten, könnten
sie dennoch der kirchen nützlich dienen mit er-
haltung nöthiger ämpter und der güter, dazu man
auch leut bedarf. Arm sein ist nicht heiligkeit;
reich sein ist auch nicht sünd; weltliche herrschaft
haben ist nicht sünd, obgleich schwer ist, zugleich
weltliche und geistliche regirung zu tragen. Doch
könnte ein gottfürchtiger bischof sich recht darein
schicken; wie David, Ezechias, Constantinus, Theo-
dosius, und jetzund viel weltliche herrn zugleich
ihrer weltlichen regirung warten, und dennoch ein
ziemlich aufsehen auf die kirchen haben.
St. Paulus hat nichts mit den kaiserlichen
sachen zu thuen gehabt, hat allein seines ampts
gewartet; aber St. Ambrosius hat neben seinem
ampt auch zwischen dem kaiser Valentiniano dem
andern, und Maximo ein händler sein müssen,
wie auch jetzund ein frommer pfarherr viel sachen
zwischen seinen nachbarn hören und vertragen
muss. Und St. Bernhardus war händler zwischen
dem kaiser Cunrado und dem kaiser Lothario.
Solches ist nicht unrecht. Und man mache canones,
wie strenge man wolle, wenn die personen nicht
gottfürchtig sind, und das ministerium verachten,
so ist der kirchen durch die canones nichts ge-
holfen. Dagegen so die personen gottfürchtig
sind, und gern zu erhaltung des rechten ministerii
dienen wollen, und die kirchen nicht für einen
saustall halten, so können sie im jetzigen stand
der fürstenthumb und güter recht thuen, und der
kirchen nach ihrer mass dienen.
Derhalben stehet diese unsre reformation
nicht auf menschengeboten, sondern allein auf den
nöthigsten göttlichen geboten.
Erstlich ist bei ihnen selb bekannt, dass gott
den bischofen für allen dingen geboten, das
predigampt durch sich selb oder andere recht zu
bestellen, und rechte christliche ceremonien zu
halten. Darum sollen die bischofe gottfürchtige
gelahrte männer in ihre stift und herrschaften
verordnen, die recht lehren. Dazu können sie
wohl präbenden finden, so der wille gut und
christlich ist, und sollen die missbräuch in cere-
monien abschaffen.
Zum andern, wissen sie auch, dass gottes ge-
bot ist, dass sie die ordination mit rechtem ernst,
nämlich mit gebührlichem examen und unter-
weisung halten sollen. Es wissen die bischofe selb
wohl, dass die ordination vor alters für das einige,

besondre und eigene werk der bischof gehalten
worden, ohne zweifel nicht ohne ursach, nicht
allein zu erhöhung des stands, sondern viel mehr
darum, dass grösser fleiss geschehe mit dem examen
und mit der unterweisung, dass untüchtige per-
sonen nicht zugelassen würden, sondern allein
tüchtige, wie St. Paulus spricht 1. Timoth. 5: du
sollt niemand bald die händ auflegen etc. Und
so das examen und die unterweisung recht ge-
halten wird, hilft solchs zu verstand und ein-
trächtigkeit in der lehr.
Zum dritten ist dieses auch gottes gebot, acht
haben für und für auf die pfarher und prädicanten,
dass sie recht lehren und regirn. Dazu fürnäm-
lich die visitatio vor alters gehalten, und jetzund
hoch von nöthen ist, nämlich dass die bischofe
etliche gottfürchtige, gelarte männer haben vom
kapitel oder sonst, die im land oder diocesi zu
gelegner zeit die kirchen besuchen, und die ge-
ringen prädicanten abermal verhören und unter-
weisen, dergleichen auch sich erkunden, was das
volk verstehet und lernet; item, erkundung halten
von des pfarhers und der leute gutem und bösen
leben. Denn diese zwei werk sind die hohen gött-
lichen werk des allerhohesten stands in allen
creaturen, rechte lehr von gott und gute sitten er-
halten, welches die fürnehmsten werk des bischof-
lichen stands sein sollen, nicht glocken täufen,
und fladen weihen etc.
Wiewohl nu die bischofe die ceremonien der
ordination halten, so gut sie es halten, so ist doch
öffentlich, dass kein recht examen, keine rechte
unterweisung da geschieht, und machen die welt
voll ungelahrter, leichtfertiger, gottloser priester,
darum gott die welt mit grausamen kriegen und
allerlei plagen strafet.
Weiter ist es öffentlich, dass ganz keine visi-
tation gehalten wird, ohne was etliche neulich für-
genommen haben, zu unterdrückung des evangelii.
Zum vierten ist gottes gebot, dass die kirchen-
gericht gehalten werden, wie Christus Matth. 18
gelehret, und Paulus 1 Timoth. 5 nämlich, dass
falsche lehr und die laster mit dem bann gestraft,
und rechte lehr und gute zucht erhalten werde.
Denn die weltliche oberkeit achtet der lehr wenig,
und erzeigt keinen ernst wider öffentliche unzucht
und ehebruch. Wie aber bis anher diese gericht
gehalten, und wie der bann missbraucht sei, ist
am tag. Denn dass sie unzucht nicht gestraft
haben, beweiset ihr leben, und wird hernach von
diesen gerichten und dem bann weiter zu sagen.
Zum fünften, so ist bei vielen hohe nothdurft
synodos zu halten, und ist nicht eine geringe
weisheit, merken, wenn sie zu halten und wie sie
zu guberniren sein. Denn es ist auch nicht gut,
dass man harte stolze köpf, oder practicirische
leut, die factiones und meuterei machen können,
 
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