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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0246
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218

Die Kirchenordnungen. Ernestinisches Sachsen.

ende sehen könnt; denn die weltliche potestat
und fürsten sind beladen mit andern sachen, und
wenig sind, die der kirchen achten, oder der lehr
nachdenken.
Antwort: Wir sehen nicht gerne unordnung,
und wünschen von herzen, dass die bischofe und
ihre mitregirende personen ihr bischoflich ampt
thuen wollten, und erbieten uns auf diesen fall
zu gehorsam, nämlich, so sie verfolgung christ-
licher lehr nachlassen, und sind nicht tyrannen
oder mörder unser armen priester, sondern fahen
an zu pflanzen reine lehre des evangelii, und
christliche reichung der sacrament, und helfen solches
handhaben. Ist doch die spaltung dieser zeit
erstlich von den bischofen verursacht, die uns ver-
bannet, und unsere priester ermordet haben, die
ihnen nicht arges gethan, sondern für sie in der
kirchen nützlich und seliglich gearbeitet, und
haben ohne zweifel vielen menschen zur seligkeit
gedienet. Und so die bischofe fortfahren mit
verfolgung christlicher lehr, wie sie bis anher ge-
than , so können wir priester und lehrer keine
einigkeit mit ihnen machen. Was unsre fürsten
und oberkeiten thuen wollen, mögen sie selb be-
denken. Wir aber, die wir jetzund im ministerio
evangelii sind, werden mit den verfolgern keine
einigkeit machen, und wollens gotte befehlen, der
der gerechte richter ist, und zugesagt hat, das
ministerium evangelii zu handhaben, welchen theil,
und wie er uns erhalten will; wie die apostoli
von gott haben warten müssen, wie er sie und
die kirch für und für erhalten wolle. Denn wie
zuvor gesagt, wir wissen wohl, dass das ministerium
evangelii nicht auf menschlichen willen und macht
gebauet ist, sondern unser heiland Christus will
es wunderbarlich erhalten, wie in Osea geschrieben
stehet: ich will ihnen helfen, aber nicht mit bogen
und schwert, sondern durch den herrn ihren
gott etc. Und ist in summa zu christlicher con-
cordia und einigkeit kein ander weg, denn allein
dieser, dass die bischofe rechte lehr und christ-
lichen brauch der sacrament pflanzen, und dass
wir alsdann ihnen als kirchenprälaten unterthan
seien, welches wir uns zu thuen erbieten. Mehr
und höher können wir uns mit gutem gewissen
und ohne verletzung göttlicher ehre nicht erbieten
und thuen.
Aus diesem unsern erbieten ist auch öffent-
lich, dass wir und alle unsre kirchen genugsam
entschuldiget sind, so man uns auflegt, wir
richten ungehorsam und spaltungen an. Darauf
ist dieses unsre antwort, dass wir uns zu gehorsam
erbieten, so man uns nicht zu verleugnung gött-
licher wahrheit dringen will. Und so sie für-
geben, die sachen bedürfen noch erkenntniss, so
sollten sie uns auch nicht vor einer rechten christ-
lichen cognition verdammen und verfolgen. Viel

aber unter ihnen selb wissen, dass unsre lahr in
dem verstand, wie sie durch uns nu oft auf den
reichstagen und sonst bekannt und erkläret ist,
und sine calumnia zu verstehen, recht und christ-
lich ist.
Weiter, so nu die bischofe christliche lehr
pflanzen wollten, und also einigkeit würde, welche
furthin der christenheit nützlich dienen wollten,
die sollten auch ihre nöthige aempter bestellen.
Und wiewohl etliche die reformation der bischofe
auf die alten canones richten, so ist doch zwischen
nöthigen und von gott gebotenen werken, welche
die zeit und veränderung der königreich nicht
ändern sollt, und zwischen menschlichen ordnungen,
die sich mit der zeit und königreichen für und
für verändern, unterschied zu merken; wie alle
verständigen wissen, dass göttlich und ewig recht
ein ander ding ist denn menschliche vergängliche
ordnung von mittlen dingen. Als, wenn der rath
zu Sparta, die jetzund noch stehet, die alten ge-
setz Lycurgi wiederum aufrichten wollt, dass man
alle acker in gemein bauen müsse, und die
früchte nach eines jeden hausvaters nothdurft aus-
theilen. Das wäre ein unnöthig ding und brächte
viel zerrüttung. Dass aber ein rath zu Sparta
göttliche gebot halte, strafe die mörder etc., dieses
ist von nöthen.
Also in dieser reformation weiss man, dass
alle regirung bedürfen güter und unterhaltung
vieler personen. Sollen nu bischöfe sein, die auf
andre ein aufsehen haben, so müssen sie güter
haben. Und ist wohl wahr, dass weltliche regirung,
und überfuss der güter, der geistlichen regirung
und den studiis verhinderung bringet, und ist vor
dieser jetzigen zeit von vielen geklaget, dass prä-
laten der kirchen mit weltlicher regirung und
gütern zu viel zu thuen haben; gleichwohl weil
die regiment und güter nu also geordnet sind, und
gottfürchtige bischöfe konnten sie recht brauchen:
so lassen wir diese ordnung, wie sie ist, und
wollen, dass gleichwohl auch diese bischofstift,
herrschaften und landschaften zu rechter heilsamer
lehr und erkenntniss Christi gebracht würden, und
dass nicht das heidnische wesen, so jetzt in stiften
ist, also bliebe, wie es leider vor augen, dass die
thumbherrn gemeiniglich nichts wissen von christ-
licher lehr, sind freche unzüchtige leut, und über
das verachten sie das ministerium evangelii ganz,
welches ihr fürnehmst werk sein sollt. Denn erst-
lich sind die stift sehr züchtige ehrliche versamm-
lungen der heiligsten und gelehrtesten männer auf
erden gewesen, sampt ihren schülern. Also haben
Johannes der evangelist, und hernach Polycarpus,
und viel andere, sehr schöne versammlungen der
heiligsten und gelehrtesten männer um sich ge-
habt, und wäre nichts schöneres auf erden zu sehen,
denn solche collegia. Wie aber dagegen jetzund
 
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