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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0321
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28. Die Cellischen Ordnungen. 1545.

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leben ader ehren gestanden hette ader vorthuelich
und prodigus were, ader mit ketzerei befleckt, ader
ein offentlicher befeder ader landesbeschediger
were, und dergleichen, und ob die ursachen genug-
sam ader nicht, das sol durch das bischofliche
ampt und consistorium stadtlich bewogen und des-
fals ahne stadtliche grosse und wichtige ursache
sölch ehegelöbnis, es sei auf der eltern, ader
auf der kinder ansuchen nicht hinderzogen werden.
Hinwider aber, wan sich ein sohn, ader
tochter, wie alt die auch weren, zur ehe vor-
pflichten, ehe und zuvorn dan sie ihre eltern,
meher dann einsten, darumb gebeten und wie
oben gemeldet, bitten lassen, und ehe dann sie
von ihren eltern antwurt bekommen, ader damit
geferlich in die lenge als ungeferlich ein viertel
jar vortzogen, und die eltern nachdem sie solchs
erfahren, wolten das vorlubnis nicht vor jaworten,
so soll dasselbige ehegelobnis unkreftig erkannt
werden, ob auch gleich die eltern dawider keine
erhebliche und genungsame ursachen anzuzeigen
wusten, und sol under dem namen eltern vor-
standen werden der vater und, wo der nicht vor-
handen, der grossvater und mutter und, wo der
kains vorhanden, die grossemutter.
Diser unterscheid, beide mit dem alter und
andern, sol auch gehalten werden, in ehegelöbden,
die conditionaliter, so fern die eltern darein vor-
willigen werden, gescheen,
Nemblich, das die eltern, wo sie zuvorn durch
die kinder, wie obengemeldt, darumb nicht ersucht,
ader die kindere berurt alter nicht erraicht, wider
sölch vorgelubnis ainige ursache vorzuwenden nit
schuldig, sundern mögen ire bewilligung strags
abgeschlagen, darauf dan auch dasselbige vorlub-
nis unkreftig zuerkennen, wo aber die kinder
obberurt alter erreicht, und die eltern vor dem
condicionalverlöbnis, wie obengemelt, ersucht, und
der antwurt erwartet hetten, darmit in die lenge,
wie oben berurt, ungeferlich ein virtel jar vorzogen
weren, so sölte das gelubnis kreftig erkant
werden, die eltern wendeten dan dasselbige durch
bestendige ursachen, wie obstehet, die durch das
consistorium vor genungsam erkant, abe.
Und so den jungen leuten ihre eltern tödt-
lich abgangen, und ein junger geselle under
zwanzik ader eine jungfrau unter achtzehen jaren
ihres alters, und also noch unter der vorwaltung
ihrer curatorn weren, und wolten sich vorheiraten,
darinnen söllen sie ihre curatores zu rath nehmen.
Do sie aber das underliessen, und sich hinder
vorwissen und bewilligung derselben in ehestand
vorpflichteten, und weren darein hinderlistiglich
gefurt und betrogen, ader kuppelerischer weise
aus unvorstand darein beredt und gefuhrt worden
und begerten des selbst erledigung, so sollen die
consistoriales darin nach gestalt des handels

billichen bescheid geben, und, wo sie obberurte
ungötliche ader unerbarliche mittel finden, sie
darvon erledigen.
Und damit sölche ordnung ihren fortgang
dester stadtlicher haben möge, so were es fast
nutze, das unser genediger furst und herr, der
landesfurst in seiner f. g. landen ein gemeine aus-
schreiben gehen lissen, ungeferlich auf diese ader
dergleichen meinung. 1)
Nachdem durch ungehorsam der kinder, der
almechtige got sehre erzurnet, und ihre eltern
(nachdeme sie die kinder mit manchfeldigen sorgen,
engsten, und unkosten auferzogen) hochbeleidigt,
auch götliche und menschliche satzung ubertreten
werden, und aber under dem götlichen gebot, das
man vater und mutter ehren ader gehorsam sein
sol, in götlichen und kaiserlichen rechten (die als
gottes ordnung in allem, darinne sie dem wort
gottes nicht zukegen, gehalten werden söllen) auch
auf das ehegelubnis gedeutet und vorstanden
werden, deme aber allem zukegen, ein schedlicher
und unerbarer missbrauch eingefuhrt werden,
das man die ehegelobde, welche die kindere ahne
bewilligung und unbegrus ihrer eldern gethaen,
vor kreftig geachtet und erkant hat, dabei auch
ofte leute sein, sölchs den eltern nicht alleine
nicht vormelden, sundern noch wol darzu vor-
schublich und hulflich sein, do doch die eltern
nicht in weigerung gestanden, zu gelegener zeit,
diselbigen ihre kinder, eerlichen zuvorheirathen,
demnach so theten sein f. g. vormöge götlicher
ordnung, und der erbarn kaiserlichen rechte
hirmit ernstlich gepieten, das hinförder keine,
kinder, die nach gütlichem und kaiserlichen
rechten unter gehorsam und gewalt ihrer eltern
sein, sich ehelich vorpflichten ader vorloben söllen,
ane wissen willen und zulassen ihrer eltern, das
auch bei vormeidung ernstlicher straf, niemandes
darbei sei, rath ader vorschube darzu gebe, in
keinem wege, so aber sölchs beschege, und von
den eltern widersprochen werde, so söllen gleichwol
sölche vorlöbnis nicht durch die eltern ader die
kindere selbst getrent werden, sundern vor dem
bischoflichen consistorio vorgebracht und daselbst
nach gelegenheit des handels, bescheids gewarten,
sich auch des stracks halten etc.
Dergleichen 2) solte den pfarern durch seiner
f. g. zubevelen sein, das sie in ihren predigten
des artikels halber 3) beide, kindere und eltern,
zu christlichem wandel berichten, die kindere, das
sie schuldigen gehorsam leisten ihren eltern, und
ahne derselben willen sich nicht vorheiraten, die

1) Geschehen unter dem 10. Februar 1545. S.
Nr. 29.
2) Desgleichen.
8) halben.
 
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