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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0351
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32. General-Artikel und gemeiner Bericht. Vom 8. Mai 1557.

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und leben schicken’, do sollen sie weiter examiniret
und ordiniret werden, und nachmals sollen die
stedte oder der rath bei s. churf. g. die con-
firmation zu suchen schuldig sein, und was in s.
churf. g. canzlei für die confirmation zu geben,
sol dasselbe von den vorstehern des gemeinen
kastens doselbst, und nicht von dem neuen pastor
entricht werden.
Die diaconen aber sol der pfarherr neben
dem rath wehlen.
Alle kirchen- und schul-diener sollen von den
superattendenten oder consistorio zuvorn vorhört,
und, nach dem sie zu solchem dienst tüglich be-
funden, confirmirt werden.
Der pastor in stedten sol alle sontag und
fest die gewönliche lection des evangelii und in
der wochen einmal oder zwier ein evangelisten,
oder epistolam Pauli ordentlich dem volk auslegen
nach gelegenheit der zeit und vorstand der zuhörer.
Der diaconus sol nach mittage die epistolam
dominicalem, und in der wochen einmal oder
zwier dem jungen volk den catechismum predigen,
und die kinder doraus examiniren.
Damit auch solches desto mehr geschehen,
und an dem kein mangel sein möge, sollen sie
ire predigten also ordenen und disponiren, das
allewege auf die sontage und andere christliche
fest das evangelium früe geprediget, und, do com-
municanten vorhanden, das ambt gehalten, nach-
mittag aber allezeit der catechismus geprediget
und geübet, und sonsten in der wochen auch eines
tages einmal geprediget werde.
Da auch das junge volk in der wochen von
wegen des ackerbauens, oder anderer arbeit ver-
hindert nicht leichtlich könt in die kirchen
kommen, sol der catechismus auf den sontag nach
mittage, und die epistel auf einen andern tag in
der wochen ausgelegt werden, wie solchs der
pastor, dem volk am bequemsten sein, erachten
wird.
Aber es geschehe, zu welcher zeit es wolle,
so sollen sie den catechismum der jugent fleissig
fürtragen, und im lehren desselben nicht ihre
kunst und geschickligkeit beweisen, sondern die
kinderlehr dem unvorstendigen jungen volk aufs
aller einfeldigst und immer auf einerlei form und
weis fürtragen, und also wider von ihnen ein-
fordern und examiniren, dann das arme junge
ungeschickte volk irre gemacht wird und wenig
behalten kan, so man gar weitleuftig, und mit
ungleicher form und weis zu reden den cate-
chismum handelt.
Und sollen die pastores in dörfern und kleinen
stedtlein das junge volk, auch knecht und megde
zum catechismo fordern und fleissig examiniren,
und damit sie in die kirchen kommen, sollen die
eltern, erbherrn , richter, schösser und andere

obrigkeit nach jedes orts gelegenheit ernstlich
darzu helfen.
Es soll aber der pfarherr die gelindigkeit
brauchen, das er das arme einfeltig arbeitsame
volk nicht ubel anfahre, und abschrecke von
solcher vorhöre, sondern fein freundlich anspreche,
und in der erste mit zimlicher antwort zu frieden
sei, die vorhorten locke, und vormane zur besse-
runge mit erzelung der frucht, so aus solchem
lernen entlichen erfolgen werde.
Er sol auch die haus-vetere und haus-müttere
von der canzel vormanen, das sie ihre kinder und
gesinde mit freundligkeit zu solchem examen
weisen und halten, auch zu gutem exempel und
anreizunge der jungen selbst unbeschwerlich und
willig zu der vorhör sich einstellen wolten.
Und damit ir gesinde beten lerne, sollen sie
etliche stunden in der wochen selbst, oder durch
ire kinder die stück des catechismi fürsprechen
und vorlesen.
Da sie aber selbst ungelert, und im haus nie-
mand hetten, der lesen könd, sollen sie einem
armen knaben in der schulen etwas geben, der
irem gesinde zu gewissen stunden den catechismum
vorspreche oder lese, und geistliche gesenge lehre.
Sonderlich aber sollen die hausveter fleissig
vormanet werden, das sie ire kinder, knaben und
megdlein (da jungfrauen-schulen gehalten werden)
fleissig zur schulen halten, darinnen sie unter
andern auch den catechismum für sich auswendig,
und andern vorlesen und lernen können.
Das auch armen schülern, frembden und ein-
wohnern, die für den heusern das almosen suchen
mit lateinischen und deutschen geistlichen gesengen
von Luthero seliger gedechtnis gemacht, mildig-
lich nach irem vormögen geben, und die andern
müssigen arbeit- und schulflüchtigen bettelkinder
hinweg weisen.
Es sollen die pfarherrn und kirchendiener
die kranken, betrübten und bekümmerten christen
oftmals, sonderlich aber zu sterbens - zeiten be-
suchen und trösten, hierinnen willig und unver-
drossen sein, und eben gleich bereit den armen
hierinnen zu dienen, als den reichen.
Und da sie bei den kranken in heusern grossen
armut, hunger, oder ander gebrechen an nötigen
dingen spüren würden, sollen sie dieselben den
vorstehern des gemeinen kastens anzeigen, das
solchen heimlichen armen leuten, die ire notturft
aus schäm niemand klagen dürfen, gerathen und
geholfen werde.
Auch sollen sie wohlhabende bürger und
bürgerinne insonderheit ansprechen, und christ-
lich vormahnen, das sie solchen armen hülf- und
warlosen mit gelt, speis, labunge, leinen gerethe
und dergleichen behülflich und tröstlich sein.
Es sollen auch die pastores und diaconi die
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