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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0352
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324

' Die Kirchenordnungen. Albertinisch.es Sachsen.

hospital, wo die vorhanden, auch andere kranken
in heusern, so ir begeren, oder mit dem sacrament
verwaret sein, vielmals besuchen, dieselben mit
gottes wort trösten, sterken, und zu christlicher
gedult und hoffnunge gnediger erlösunge vor-
mahnen.
Auch darneben mit fleis erforschen, wie die
armen leute in hospitalen mit speis, trank, lager
und anderer wartunge und notturft versorget
werden.
Sie sollen auch oftmals ire pfarkinder von
der canzel vormahnen, das sie dem gemeinen kasten
nach vormügen mit wöchentlichem einlegen und
in andere wege gerne bessern.
So sollen auch die pfarherrn in stedten gute
achtung geben auf der kirchen einkommen und
auf das ersamlete geld, das mit demselben treu-
lich umbgangen, und der armen bestes und nicht
eigener nutz gesucht und gefürdert werde.
Dieweil auch viel unraths und sünde aus den
heimlichen winkel - vorlübnissen entspringt, sollen
die pfarherrn fleissig und ernstlich darwider pre-
digen, und das junge volk vormahnen, das sie
sich nicht an irer eltern, oder denen sie befohlen,
vorwissen und rath vorehlichen.
Auch das sie sich der verbotenen graduum
im freien enthalten, welche vorbotene gradus ein-
mal im jar dem volk von der canzel sollen vor-
gelesen und vorkündiget werden mit erinnerung,
was für beschwernis und gefahr auf solch un-
ordentlich heiraten pflegt zu folgen.
Da sie in irem kirchspiel jemand erfahren
würden, der grober laster halben berüchtiget
were, sollen sie die obrigkeit in geheim vor-
malinen, ernstlich einsehen zu haben, das solche
laster, so notoria und offenbar, gestraft werden,
und da solche vormanunge bei der obrigkeit nicht
stadt finden wolte, sollen die pastores solches den
superattendenten, oder dem consistorio vormelden.
Desgleichen sollen sie handeln mit denen, die
nach vorgangener vormanunge und vorwarnunge
in vorachtunge der predigten und sacrament, oder
in offentlichen irthumben trotziglich vorharren,
das dieselbe der obrigkeit, oder durch den super-
attendenten dem consistorio angegeben werden,
und da sie darüber in ihrem unbussfertigen leben
bleiben, sollen dieselben zu keiner tauf oder ge-
fatterschaft zugelassen, auch nach ihrem absterben
nicht mit schülern, gesengen und andern gewön-
lichen ceremonien zur erden bestattet werden.
Es sollen auch alle pfarherrn in stedten und
dörfern, hochzeiten und leichpredigten zu thun,
so es bei inen gesucht wird, schuldig sein, da-
gegen sollen inen drei oder zwene groschen von
den anlangenden gegeben werden.
Ein jeder dorf - pfarherr soll alle sontag und
feiertag zweimal früe das evangelium, und nach

mittag, auch in der wochen einmal, den catechis-
mum predigen, were aber viel volkes in eine
pfarre gewidumbt, oder könte sonst mit nutz und
furcht geschehen, sol der catechismus auch mehr-
mals, und, wie oben von stadt-pfarherrn gemeldet
wird, gelehret werden.
Die dorf - pfarherrn sollen die cüster dahin
halten, das sie den catechismum fleissig treiben,
und die jugent vorhören auf form und mass, wie
oben vorleibet.
Und nachdem bisweilen Studenten auf die
dörfer gehen, auch sonst aus andern orten ein
pfarherr, diacon und andere kirchen - diener zu
einander kommen, und begeren sich allda in der
kirche mit predigten zu vorsuchen und zu üben,
sol der pfarherr derselben keinen auftreten und
predigen lassen, er bringe dann von dem herrn
pastor, oder einem diacono ein schriftlich zeugnis,
das er sicher zu predigen mag zugelassen werden,
und das concept seiner predigt gedachtem herrn
pastori, oder einem aus den diaconis, oder dem
superattendenten zuvorn geweiset hat.
Alle pastores sollen sich gegen solchen, die
sich zu predigen angeben, wissen zu vorhalten,
allerlei unrath und ergernis, auch irer der pfar-
herrn selbst beschwernis zu vorhüten.
Es sol auch ein jeder dorf - pfarherr alle jar
zwischen ostern und pfingsten alle seine pfar-
kinder, die des alters seind, das sie nunmehr
zum sacrament gehen, mann und weibes-personen
von den fürnembsten artikeln christlicher lehre
fragen, und die zehen gebot, glauben, das gebet,
einsetzung der sacrament, abend- und morgen-
segen, das gebet und danksagunge vor und nach
dem essen nach einander her sagen lassen, daraus
zu erfahren, wie sich das gemeine volk aus den
predigten bessere, und diejenigen, so ungeschickt
befunden werden, sol er merken und aufzeichnen
und vormahnen, das sie sich bessern wolten, und
da er uber ein jar im examine gleiche ungeschick-
ligkeit vormerken würde, solche personen des
dorfs obrigkeit, oder dem superattendenten an-
geben.
Er sol auch schuldig sein, von solchem seinem
examine, wie er die leute geschickt oder un-
geschickt befunden habe, und was er mehr ge-
brechen und ursach zu klagen haben würde, jer-
lichen vor pfingsten seinem superattendenten für-
zutragen, und relation zu thun schriftlich oder
mündlich.
Er soll auch die eltern fleissig vormanen, das
sie ihre kinder zum catechismo ernstlich halten,
und da er jemand vormerkt, der seine kindere
davon abhielte, sol er denselben dem richter an-
zeigen, das er nach gebüre gestraft werde, und do
der richter dorinne seumig würde, sol er es der
weltlichen obrigkeit klagen.
 
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