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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0378
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Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

kunftig zum regiment und kirchen tugliche leute
erzogen und erwehlet werden mussen, hoch und
viel gelegen, das die rechtschaffene praeceptores
haben, welche in der lehre rein sein und ihr ampt
die jugent zu leren und zu erbaren guten sitten
zu erziehen, mit guter geschickligkeit, recht,
christlich und wol zu gebrauchen wissen, so sollen
auch unsere superintendenten und adiuncti die
schulen in sonderlicher guter acht haben, die oft-
mals visitiren, die praeceptores ihres glaubens be-
fragen, damit sie, ob sie in der lehre irein sein,
wissen, auch daneben in den järlichen visitationi-
bus uf nachfolgende articul fleissige erkundigung
nehmen.
1. Wie und mit was ordnung ein jeder pfar-
herr seiner stadt schulen visitire.
2. Was geschickligkeit und glaubens schul-
meister und seine collaboranten, auch ob sie in
ihrem ampt fleissig oder unfleissig seind.
3. Ob in der schule rechtschaffene disciplin
und lehre mit gesengen und sonsten auch wie
und uf was mass die angestellet sein.
4. Soll sonderlich fleissige erkundigung ge-
schehen, was vor arme knaben vorhanden, die im
studirn fleissig und gute ingenia haben, aber
doch, wegen ihrer eltern armut, dem studiren
nicht nachfolgen konnen, die soll er selbst, wie
weit sie in ihren studiis procedirt, hören, ire
namen mit fleiss aufzeichnen und berichten, ob
denen kunftig in fursten - schulen oder in andere
wege forderung geschehen möchte.
5. Wie sich die deutschen schulmeister, auch
der meidlin schulmeisterin in stedten und die
custodes uf den dörfern jedes in seinem ampt in
der kirchen und schule vorhalten.
Wie den der superintendens oder adiunctus
solches und anders mehre jedes ortes gelegenheit
und seiner geschickligkeit nach notturftig zu er-
fragen wird wissen.
Von policeiordenung und christlicher
zucht der zuhörer sollen Superinten-
denten und adiuncti jeden pfarherrn
und kirchendiener befragen, wie folget.
1. Wie 1) sich jedes ortes amptleute, schösser,
rath, richter, schöppen, die vom adel und andere
befehlhaber und obrikeit, mit besüchung der pre-
digt gebrauch der heiligen sacramenta vorhalten,
auch ob ihr einiger oder mehr berüchtigt were,
das er in ergerlichen offentlichen groben abscheu-
lichen lastern und sunden lebete und halstarrig
darinnen vorharrete und was ihre gebrechen sein.
2. Ob auch unsere amptleute, rethe in stedten
und andere jedes orts befelichhabere und obrig-

1 Randbemerkung bei E: Wie man zu kirchen
gehe zu fragen.

keiten mit fleiss und geburendem ernst uber
unserer kirchenordenung, kirchendienern und
andern unseren christlichen satzungen halten.
3. Ob 1) auch in stedten oder dörfern zeu-
berer, segensprecher, zeuberische warsagerin,
offentliche gotteslesterer, ehebrecher, eheleut, die
einander mutwillig vorlassen, geduldet werden.
4. Ob 2) auch epicurische unordentliche zechen,
Schwelgerei in stedten und dörfern, sonderlich
under der predigt nachgelassen werden.
5. Wie 3) es in den stedten und dörfern mit
feilhaben, allerlei kremerei, brantenweinschank
und dergleichen vor und under der predigt und
bei werendem ampt gehalten werde.
6. Ob4) auch an den höhesten festagen
pfingst und weinacht bier zu trinken vorhengt,
item schutzenhofe fur und under den predigten
zu halten vorstattet werden.
7. Ob5) auch an sontagen und geordneten
festen nachgelassen werde, mit pferden oder der
hand zu arbeiten, und ob die so es thun auch in
straf genommen werden.
8. Ob 6) auch die obrigkeit rockenstuben,
scheidaben, unzuchtige, unordenliche nachttenze
und dergleichen vordechtige, leichtfertige zu-
sammenkünften dulden oder mit was straf sie die
vorbrecher belegen.
9. Welchergestalt und von weme die eltern
und hausveter, welche selbst die predigt vorseumen,
oder auch ihre kinder und gesinde dazu nicht
schicken, vormöge unserer ordnung in straf gezogen
werden.
10. Ob gotteslesterung, Schwelgerei, mussig-
gang bei der gemeine zu oder abnehme.
11. Ob er auch unter seinen eingepfarreten
leut wisse, welche die predigt gottes worts und
die hochwirdigen sacramenta ganz vorachten, sich
deren nicht gebrauchen, ubel davon reden, oder
auch zeuberei, segensprechens, ehebruchs, unzucht,
unzimliches wuchers halben und mit dergleichen
groben sunden berüchtigt und uberwiesen sein,
wer die und was ihre sunden sein, namhaftig
vorzeichnen.
12. Ob und wie der armen kranken in ihrer
not mit ärzenei und sonsten, wie sichs christlicher
liebe nach geburet, gepflogen und gewartet werde.
13. Was der pfarherr vor eine inspection uf
die hospital habe, mit was ordnung er die visitire
und wie es dorinnen zugehe.
14. Und von diesen articuln policei und
christliche zucht betreffende, soll der visitator auch

0 Randbemerkung bei E: Zauberer.
2) Randbemerkung bei E: Zeche under der predigt.
3) Randbemerkung bei E: Brantenwein.
4) Randbemerkung bei E: Pfingstbier.
5) Randbemerkung bei E: Arbeit am sontag.
6) Randbemerkung bei E: Spinnstuben.
 
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