Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0424
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
396

Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

manung und straf, so der pfarrer allein, und denn
in gegenwart der kirchveter gethan, nicht erfolget,
sol der visitator gleich alsbald in nechster visi-
tation solche in gegenwart des pfarrers für sich
erfordern, und sie nochmals ernstlich zur besserung
vermanen.
So es aber grobe abscheuliche laster seind,
welche der christlichen oberkeit gebüren zustrafen,
sol der visitator die angegebene person dem ampt-
man, erb oder gerichtsherren desselben orts an-
melden, und was sich dieselbige der straf halben
erboten verzeichnen, und in synodum berichten,
und in nachfolgender visitation, oder mitlerzeit,
damit das ergernis gestillet, ob solche strafe ver-
möge unserer constitution erfolget, fleissig er-
kündigen, und da es nicht geschehen, gleicher
gestalt berichten.
Wann aber ein ergerliche person die erste,
des pfarrern, und denn auch des visitatoris veter-
liche vermanung verachtet, sol der visitator die-
selbige für den general superintendenten be-
scheiden , und endlich für das consistorium, und
da kein besserung zuverhoffen, alsdenn nach des
synodi erkentnis in die kirchenstraf des banns
(wie hernach folget) erkent, und an ihr vollstrackt
werden sol, damit andere leut ein furcht und ab-
scheu haben, sich vor unbusfertigkeit und ver-
achtung christlicher vermanungen durch gottes
gnad zuverhüten.
Gleicher process sol auch mit den pfarrern,
kirchen und schuldienern, auch ihren weib, kindern
und gesinde gehalten, und da sie strafbar be-
funden, per gradus admonitionum, nach der lehr
Christi, Matthei 18. mit ihnen gehandelt werden.
Es were denn die handlung des ersten oder
andern mals so thetlich, hochstreflich, kund und
offenbar, das solche gradus des grossen ergernis
halben ohne vorgehende straf der oberkeit nicht
könten gehalten werden, sollen beides der super-
intendens und desselben orts oberkeit mit gutem,
lauterm, sattem bericht und allen umbstenden zu-
handen unsern verordenten consistorialen uber-
schicken , oder so die sachen verzug leiden mag,
in den synodum fürbringen, und ferners bescheids
gewarten.
Da sich auch zank und zwitracht zwischen
den kirchendienern selbst, oder zwischen ihnen
und den amptleuten, erb oder gerichtsherrn, oder
andern unsern unterthanen zutrüge, so sol darin,
als wir in unser ordnung hievor unter dem titel
von den freiheiten der kirchendiener gesatzt, ge-
handelt werden.
Wann es aber frevel, friedbruch oder malefiz
weren, alsdenn sollen die amptleut sampt den
superattendenten solche jedes orts zu seinem ver-
ordenten consistorio gründlich berichten, und ferner
bescheids gewarten.

Es sollen aber alle visitatores besondern fleis
und vorsichtigkeit gebrauchen, das sie nichts denn
was notorium, dardurch die kirch verergert, be-
richten, quoniam de occultis non iudicat ecclesia.
Demnach, wann uber einen pfarrer, kirchfart
oder pfarrkind etwas berichtet wird, sol der visi-
tator solches nicht allein blos aufschreiben, und
gleich in synodum berichten, sondern auch die
personen befragen, ob sie es gestehen, und wie
sie solch ihr anzeigen beweisen. Und da sie be-
fünden, das kein grund vorhanden, solches bericht
einstellen.
Wann es aber sachen sein, da allein verdacht
und argwohn gefallen, und gleichwol auch solches
nicht ohne ergernis der kirchen, sol der visitator
entweder den pfarrer oder desselben orts oberkeit
in geheim und vertrauen erinnern zu abschaffung
des ergernis und verhütung grössers unrats,
darein ein solche person geraten möchte, das
solcher schein abgeschafft, und gleichwol deshalben
niemand gemeldet, besonders aber der visitator
nicht in unbillichen hass gezogen werde.
Wie sich denn besonders unsere amptleut,
erb und gerichtsherrn, auch ret in den stedten
solcher bescheidenheit und vorsichtigkeit wol werden
wissen zugebrauchen, wir auch inen hiermit ernst-
lich, und bei vermeidung unser straf und ungnad
auferlegen und befehlen, wann ihnen durch die
pfarrer oder visitatores solche öffentliche ergerliche
sachen, es sei böse that, oder ergerlicher schein
von den pfarrkindern, vermög ihres tragenden und
von gott so theuer befohlenen ampts, in geheim
vorgebracht, das sie die schüldige oder verdechtige
personen nicht auf die pfarrer, kirchendiener oder
visitatores weisen, die es angezeigt, und auf die
straf gedrungen, sondern sie sollen, vermög ihres
ihnen von uns befohlenen und tragenden ampts,
für sich selbst ihr fleissige nachforschung haben,
und da sie es also befinden jederzeit gebürenden
ernst mit der straf zu abschaffung des öffentlichen
ergernis vornemen und hierinnen niemands ver-
schonen.
Ob auch einiger unser amptleut, schösser,
vom adel, rete in stedten, oder andere oberkeit
böser laster beschüldiget würden, welche nicht gar
gewiss, kund und offenbar weren, oder aber ver-
dacht vorfiele, das er, was aus unserm synodo
befohlen oder sonsten abzuschaffen nötig befinden
würde, nicht mit gebürlichem ernst exequirete, so
sol der visitator ihn nicht alsbald erstmals be-
schüldigen , sondern allein freundlich vermanen,
wess er sich erbeut verzeichnen, und da alsdenn
nichts erfolget, in seinen bericht einbringen. Wie
wir denn, damit niemand sich zubeklagen als sei
er unschüldig angeben, hiemit ordnen und be-
fehlen, das ein jede oberkeit selbst bei der visi-
tation sei, oder je eine fürneme person mit
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften