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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0442
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414

Die Kirchenordnungen. Albertinisch.es Sachsen.

fürgenommen, und unsere consistorialn, wie auch
die superintendenten und derselben adiuncten
nicht warten sollen, bis solche falsche lehr mit
ergernis ausgebrochen und weit ausgebreitet
werden, sondern es sol bald anfangs solchen
irrigen geistern mit guter ordnung, gebürender
bescheidenheit und ernst begegnet, und keine
stunde zugesehen werden, weil solche leut nicht
ruhen, sondern mit ihrer falschen lehr, wie der
krebs, umb sich fressen, und unwiederbringlichen
schaden thun mögen, ehe man es gewar werde,
welches, soviel müglich, zuverhüten, unsere con-
sistorialn, superintendenten und visitatorn allen j
fleis gebrauchen und an ihnen nichts erwinden
lassen sollen. Deswegen wir dann auch sie ihres
gewissens erinnert haben wollen, wie sie solches
nicht allein für uns, sondern auch und fürnemlich
an dem grossen tage für dem herrn Christo zu-
verantworten haben werden.
Was aber sonsten gebrechen und mengel der
kirchendiener person und die verrichtung ihres-
ampts, auch ihrer selbst und derselben weib und
kinder leben und wandel betrifft, da es nicht
grobe laster, so unnachlesslich vermöge unserer
constitutionen und policei ordnung gestraft werden
sollen, sondern solche sachen sein, dardurch die
gemeine gottes wol auch verergert, aber doch ent-
weder ohne vorsatz geschehen, oder sonsten durch
fleisch und blut ubereilet, die auch durch sie wol
abgeschaffet und gebessert werden mögen, also das
umb solcher gebrechen willen, die gleichwol nicht
zu gedulden, die kirchendiener ihres diensts nicht
alsbald zu endsetzen,
sollen in denselben, nach der lehre Christi,
Matth. 18. die gradus admonitionum nach folgender
gestalt gehalten werden, das der pfarrer, kirchen
und schuldiener, er sei untreu, unfleis in seinem
ampt, lebens, unleidliches ergernis für sich selbst
oder auch sein weib und kinder beschuldigt oder
verdechtig, sol er deshalben für das erst mal durch
seinen ordentlichen visitatorem freundlich erinnert,
gestraft, und zur besserung vermanet werden, so
nun der kirchen oder schuldiener -solches zugesaget,
aber nicht erfolget, und das ergernis je lenger je
grösser bei der gemeine worden, sol er für das
ander mal vor den superintendenten in gegenwart
seines ordentlichen visitators, oder da der super-
intendens selbst visitator an diesem ort in gegen-
wart seiner diaconorum, erfordert, und mit ernst
zur besserung vermanet werden.
Wann aber auch auf solche andere vermanung
das ergernis bei ihme nicht abgeschaffet, und der
superintendens solches berichtet, sol er es nicht
lange anstehen lassen, sondern, was mit gedachter
person durch den adiuncten und ihn den super-
intendenten gehandelt, zum consistorio berichten,
damit er daselbst hin erfordert, und für das dritte

und letzte mal mit besonderem fleis und ernstlicher
bedrauung zur besserung vermanet, und da die-
selbige auch nicht erfolget und deshalben von
ihme weiter klage oder bericht einkommen, ei-
sernes diensts hiemit entsetzt sein sol. Dergestalt
sich kein kirchendiener zubeklagen, das er uber-
eilet, oder ungebürlicher process mit ihm gehalten,
und gleichwol dem ergernis zeitlich begegnet,
und die kirchen mit rechtschaffenen, reinen, ge-
treuen und aufrichtigen, unergerlichen dienern
bestellet und versehen werden.
Gleicher process sol auch mit den pfarrkindern
i durch die verordneten special superintendenten
und derselben adiuncten gehalten werden, wann
von den eingepfarten einem oder mehr, wer er
auch sein möchte, was berichtet, so ergerlich oder
dem pfarrer in seinem ampt verhinderlich oder
an seiner und der seinen unterhaltung, schutz und
schirm nachteilig sein möchte, wie dann die visi-
tatores vermög habender instruction nichts dann
notoria zuberichten befehl haben, sol er gleicher
gestalt alsbald diese verordnung thun, das den
ergerlichen menschen, so es ein privat person, der
pfarrer, nach seinem des visitators abreisen, für
sich erfordere, und demselben, was offenbar ist,
von wegen des gegebenen ergernis fürhalte, und
in besonders des Spruchs Christi Matthei am
18. capitel erinnere, da Christus saget, „wehe der
welt der ergernis halben, es muss ja ergernis
kommen, doch wehe dem menschen, durch welchen
ergernis kompt, dann wer ergert den geringsten
einen, so an mich gleuben, dem were besser, das
ein mülstein an seinen hals gehengt würde, und
er erseuft würde im meer, da es am tiefsten ist,“
und also mit höchster sanftmut und bescheiden-
heit sie zur busse und besserung vermanen.
Wann aber solche person sich nicht bessert,
da dann der pfarrer auch wol für das ander mal
etzliche seiner diaconorum, da sie verhanden, oder
im mangel derselben die kirchveter zu sich ziehen
mag, und gleichwol auch solche vermanung in
wind geschlagen, sol der pfarrer solches seinen
visitatorem berichten, welcher, da es den verzug
auf künftige visitation nicht leiden kan, die erger-
liche person für sich erfordern, und in beisein
des pfarrers und amptmans, erb oder gerichts-
herren, wo die verhanden, und es ire personen
nicht betrifft, sie nochmals zur besserung ernstlich
vermanen sol, mit angehengter bedrauung, wo
dann hierauf auch keine besserung folget, und das
ergernis nicht abgeschaffet, so sol solche person
für den general superintendenten, oder für das
consistorium für das dritte und letzte mal erfordert
werden, and so alsdenn keine besserung zuver-
hoffen, nach der ordnung Christi aus der gemeine
gottes genzlich ausgeschlossen, auch sonsten durch
die christliche oberkeit hertiglich gestraft werden.
 
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