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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0450
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422

Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

auch da sie solches unterlassen ihnen erschreck-
liche drauung für augen gestellet, wann sie den
gottlosen die sünde nicht sagen, und sie darinnen
sterben, er ihre seele an seinem grossen tage aus
ihren henden fordern wolle, Ezech. am 3. Werden
derhalben die pfarrer in solchem sich ihres ampts
der gebür nach wol zuerinnern wissen, und, wo
von nöten, die visitatores ihnen gnugsamen bericht
geben können, das solches allein auf die erger-
lichen predigten gemeinet, da die pfarrer aus
zorn und eigener rachgier ihre eigene sachen auf
die canzel getragen, und mit ergernis der gemein
ausgestossen, die leute mit namen genennet, oder
sie sonsten also ausgemalet, das menniglich, wer
sie sein, wol verstehen können, oder sonsten nicht
gebürliche ordnung im strafampt gebrauchet, und
also an stadt gottes worts die ganze zeit mit den-
selben zugebracht, welchs wir hinfüro zugedulden
keines weges gemeint sind, sondern da einer wider
seine pfarrkinder, eines oder mehr, eine sache
haben möchte, sol er dieselbe, wo müglich, und
wie christen menschen, besonders aber kirchen-
dienern vor andern wol anstehet, freundlich, christ-
lich, mit ihme insonderheit, ohn alles ergernis und
weitleuftigkeit, austragen, und da ihme die billig-
keit nicht widerfüre, deshalben nicht die ganze
kirchen besonders aber in offentlichen predigten
betrüben, und also sein selbst richter in eigener
sachen sein, sondern an seinen ordentlichen visi-
tatorn gelangen lassen und sein ampt unergerlich
jeder zeit mit aller sanftmut verrichten, auf das
die pfarrkinder vernemen mögen, das seine straf-
predigten nicht aus fleischlichem willen, sondern
christlichem und veterlichem eifer hergeflossen,
dergestalt sie auch mehr bauen und ihrer zuhörer
freundlichen willen gegen ihrer person und ehr-
erbietung gegen dem heiligen ministerio besser
erhalten werden.
Zum achten, sollen die pfarrer auch der ge-
legenheit irer pfarrkinder wol acht nemen, weil
es gemeiniglich auf den dörfern einfeltige, und
göttlicher sachen besonders der religions streite
unerfarne leute sind, das sie dieselbigen nicht mit
unnötigem gezenke der lehr oder personen halben
verergern, noch dieselbige auf der canzel ohne
not erregen, dardurch den einfeltigen leuten
allerlei nachdenken gemacht, und also mehr bei i
ihnen abgebrochen und zerstöret, dann aufgebauet
und gebessert werden mag, sondern sie sollen
ihnen den grund göttlicher reiner lehre, vermöge
gottes worts, und ihres christlichen catechismi,
einfeltig fürtragen, und für widerwertiger lehr
treulich warnen, gleichwol jeder zeit diese vor-
sichtigkeit und bescheidenheit gebrauchen, wann
es die notturft erfordert, das etliche mit falscher
lehre eingenommen weren, oder das sonsten die
leut vor unreiner lehr zuwarnen, derselben un-

grund anzeigen, mit klaren zeugnissen der schrift,
und wie sie wider die einfalt des christlichen
catechismi streiten, genugsam widerlegen, und die
personen, so darmit eingenommen, mit dem geist
der sanftmut zu wider bringen, sich befleissigen
sollen, auf weise und mass, wie bei dem artikel
von der visitation und superintendenten nottürf-
tiglich vermeldet worden.
Zum neunden. Nach dem die kirchengebeude
verordnet, nicht weltliche sachen darinnen zuver-
kündigen, sondern gottes wort zupredigen und
anzuhören, so sollen die kirchendiener sich be-
fleissigen, das sie nicht allerlei, besonders welt-
liche sachen, zuverkündigen sich annemen, noch
auch andern zuthun verstatten, welche vor der
kirchen auf den offenen pletzen, in den dörfern
oder in den stedten auf dem rathhaus oder andern
örten viel füglicher verrichten werden können.
Zum zehenden. Nach dem die kirchendiener
in allem, was zu warhaftiger gottseligkeit und er-
barkeit dienstlich, der christlichen gemein ein gut
exempel vorzutragen schüldig, sollen zuförderst
die superintendenten sich befleissigen, das nicht
allein die prediger und ihre diaconi, so oft die
offentlichen predigten, ausserhalb dem teglichen
frügebet, gehalten, allewege sich bei denselben
finden, sondern auch die superintendenten und
pfarrer selbst darinnen sein, damit sie hören und
eigentlich erkundigen mögen, mit was fleis ihre
collegen ihre predigten verrichten, ob sie auch,
wie sichs gebüret, darauf studieren, mit grunde
leren, gute ordnung in ihren predigten halten,
verstendlich leren, gebürende bescheidenheit ge-
brauchen, und da es ihnen an deren stück einem
oder mehr fehlet, sie deshalben freundlich anreden,
unterrichten, und zur besserung vermanen, auch
wie solche erfolget, merken, und nicht nachlassen.
Besonders aber sollen allezeit, und bei allen
ordinari predigten, die diaconi gegenwertig sein,
und nicht unter den predigten in ihren eigenen
oder andern heusern bei dem wein oder bier sitzen,
oder sonst andere sachen mit ergernis der ge-
mein verrichten, bei ernstlicher straf, so sie, da
sie gewarnet und solches nicht bessern, darüber
zugewarten haben.
Zum eilften. Nach dem bisweilen Studenten
auf die dörfer gehen, auch sonsten aus andern
orten pfarrer, diacon, oder andere kirchendiener
zusammen kommen und begeren allda in der
kirchen sich mit predigen zuversuchen und zu-
üben, sol der pfarrer derselben keinen auftreten
noch predigen lassen, er bringe dann von seinen
praeceptoribus, da er in heiliger schrift studiert,
und des orts superintendenten ein schriftlich zeug-
nis, das er darzu geschickt erkant, und demnach
sicher zupredigen möge zugelassen werden, der
auch das concept zuvor dem pastori, oder einem
 
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