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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0460
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432

Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

Auf welche weise viel ergernis abgestelt und
gleichwol christliche zucht nach der ordnung
Christi erhalten werden kan; wie wir dann auch
als eine christliche oberkeit, wann alle gradus mit
einem ergerlichen menschen gehalten und nicht
besserung erfolgt, uns bei den groben, greulichen,
abscheulichen lastern erzeigen und mit der straf
solchen ernst vermittelst der gnaden gottes vor-
wenden wollen, das es keines fernern bannes be-
dürfen, sondern die kirchendiener vielmehr dahin
arbeiten werden, ehe die leibstraf an der erger-
lichen person vollstreckt, das die seele in der
gemeine gottes erhalten werden möge.
Wann aber die obrigkeit einen ubeltheter, er
sei ein greulicker gotteslesterer, ehebrecher oder
todtschleger, so das leben verwirkt, gnad erzeigen
würde, und gleichwolumb des grossen ergernis
willen von nöten, das es nicht ohn offentliche
straf hingehen, auch ohne rechtschaffene reue und
erkentnis seiner sünde ein solcher ergerlicher
mensch zur gemeinschaft der hochwirdigen sacra-
menten nicht zugelassen werden sol, und die obrig-
keit ihme deshalben, andern zum abscheu und
exempel, auch eine eusserliche straf auferlegt, das
er vor der kirchenthür mit einem weissen stab,
oder dergleichen, etliche sontage nach einander
stehen müsse, sol dieses nicht für ein kirchenstraf
gerechnet, sondern wie es in der warheit ist, für
eine weltliche straf der obrigkeit gehalten werden,
wie die apologia der augspurgischen confession
offenbarlich bezeuget, darmit die kirchendiener
nichts zuschaffen, und derhalben auch in der
kirchen, da man den leuten nicht leibliche strafen
anthut, sondern gottes wort prediget, und die hoch-
wirdigen sacrament austeilet, nicht verrichtet
werden sol. Dann der kirchendiener gewalt sich
weiter nicht erstreckt, denn wie sie befehlich
haben, den unbusfertigen ihre sünden zubehalten,
also sind sie auch hinwiderumb schüldig, einen
-jeden busfertigen sünder, so seine sünde erkennet,
auf sein bekentnis zu absolvieren.
Da sich aber ein unversehener casus zutrüge,
das ein pfarrer bedenkens hette, deswegen jemands
aus seinen pfarrkindern zur taufe oder h. abend-
mal zuzulassen, sol er, da es verzug leiden mag,
solches alsbald an seinen ordentlichen visitatorn
gelangen lassen und seines beschieds erwarten,
darmit kein pfarrer etwas in solchen sachen un-
bedechtig oder unordentlich aus seinem eigenen
kopf vorneme oder handle, sondern sich der all-
gemeinen ordnung gehorsamlich verhalte, das ihme
in allewege vor gott und seiner kirchen verant-
wortlich, und hiedurch viel und grossem ergernis
vorkommen, auch manche gefahr und weitleuftig-
keit verhütet werden kan. Wann es aber kein
verzug leiden mag, sol er keinen offentlich bei
der heiligen tauf weder deshalben anreden noch

abtreiben, sondern zulassen, nachmals aber mit
ihme die notturft mit gebürender bescheidenheit
reden, darmit offentlich ergernis verhütet, und
niemands ohn rechtmessigen, christlichen process
und erkentnis offentlich, auch ohne vorgehende
ordentliche warnung, zu schanden gemacht, son-
dern Christi ordnung, Matth, am 18. und vermög
derselben, die ordentlichen gradus der vermanung
gehalten, und demnach auch niemand für die
kirch zur busse offentlich fürgestellet werden sol,
dann, wie oben vermeldet, wann der unbusfertige
alle vermanungen verachtet und vorsetzlich in
offentlichen, ergerlichen sünden und lastern ver-
harret, und davon nicht abstehen wil.
Auf solche weise hat sich niemand zu beklagen,
das er durch zorn oder widerwillen des kirchen-
dieners ubereilet, wann alle warnungen ordentlich
uber in ergangen, desgleichen ist auch der kirchen-
diener aller unbillichen nachrede, widerwillens
oder gefahr uberhoben, als der nichts für sich
selbst eigens willens oder erkentnis gehandelt,
sondern sich der ordnung Christi verhalten, darbei
er auch billich durch die christliche oberkeit hand-
gehabt, geschützt und geschirmet werden sol, der-
gestalt christliche zucht nicht gefallen, sondern
auf solche weise vermög der ordnung Christi,
handgehabt, auch die laster mit ernst gestraft und
abgeschafft werden.
Desgleichen, weil sich auch zutregt, das etliche
personen, so noch zur ' zeit der papisten aber-
glauben in vielen stücken zugethan, wann sie zur
gevatterschaft gebeten, das sie bei der heiligen
taufe abgetrieben werden, dardurch sie soviel
desto mehr wider die reine lehr des heiligen
evangelii verbittert, so dargegen, wann sie zu-
gelassen, vermittelst der wirkung gottes des heiligen
geistes nicht allein ihrer selbst, sondern auch
anderer mehr verfürten bekerung daraus erfolget,
demnach dann die verordnung der gevattern nicht
ein göttlicher befehl, sondern aus guten und erheb-
lichen ursachen von menschen verordnet, sollen
die pfarrer und kirchendiener in solchem fall ver-
nünftig und vorsichtig handeln und nicht bald
jemand, der nicht ein offentlicher lesterer gottes
und seines heiligen worts, da er gleich in einem
oder mehr artikeln sich nach der zeit nicht finden
könte, von der heiligen tauf abhalten, sondern
sich Christi spruchs erinnern, da er saget, wer
nicht wider uns ist, der ist mit uns, auf das erste
mal sich an dem genügen lassen, das solche per-
son durch ire gegenwart mit der that unser heilige
taufe für christlich und recht erkennet, so dargegen
keinem unserer religion verwandten zu raten, das
er bei einer papistischen tauf stehen, und hiermit
ihren papistischen greuel, so sie bei der heiligen
taufe treiben, bestetigen sol, gleichwol aber dar-
neben nicht unterlassen, solche personen ihres irr-
 
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