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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0484
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456

Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

weisen und anhalten, das sie allen kirchen und
schulendienern, auch den gottesheusern und
hospitaln ihre gebürende zehend, pact, zins, opfer-
pfennig, quatembergeld und andere mehr pensiones,
schulde und dienste ohn betrug und verzug, der
vielfeltig gebraucht wird, zu rechter zeit und voll-
kömlich entrichten und leisten, auch die pfarren
und kirchen gebeude, so die gemeine zuthun
schüldig und geheissen worden ist, ohne verzug
und treulich aufrichten und vollenden.
Weiter sollen sie die jenigen, so offentlicher
laster halben, als ehebruch, hurerei, unzucht,
zauberei, steter sauferei, gotteslesterunge, frevent-
liches ungehorsams wider die eltern, spielens, ver-
dechtiges müssig gehens, ungezweifeltes wuchers,
nachtsaufens etc. berüchtiget und schüldig befunden
werden, nicht dulden, oder mit gelde strafen hin-
durch kommen lassen, sondern es sollen solche
nach gelegenheit der verbrechung am leibe, andern
zum abscheu, mit gefengnis, oder mit verweisung
und sonst ernstlich gestraft werden.
Da auch jemand, als die bösen ungeratenen
kinder zuthun pflegen, seine eltern schmehen,
lestern und endlichen die hende an sie legen
würde, sol solches von den unterthanen oder, nacht -
barn (weil die eltern hierinne allzugütig sein) der
obrigkeit vermeldet werden, welche sie auch, ver-
möge der recht, strafen sollen.
Alle und jede gerichtshaber und verwalter
sollen auch mit ernst daran sein, damit dem greu-
lichen gotteslestern und fluchen, der schendlichen
seuferei, dem grossen unmessigen pracht und un-
kosten, der auf den hochzeiten, verlöbnissen, kind-
taufen und dergleichen gastungen gebraucht
wird, vermög unser landesordnung gesteuert, auch
die unförmliche, schendliche und allzubrechtige
kleidunge und dergleichen mehr unordnungen,
abgeschafft werden, und nicht (wie viel geschicht)
selbs mit ihrem bösen exempel zum gegenspiel
ursach geben.
Dieweil aus den langwierigen panketen und
zechen in der nacht viel und mancherlei laster
entspringen, auch das kirchenampt nicht wenig
dardurch gehindert und deformiret wird, sol die
obrigkeit in stedten auf wege und ordnungen
denken, das solch lang sitzen abgeschafft, und
eine zeit und stund, nach gelegenheit des orts,
ernennet, und mit einem glocken geleut angezeiget
werde, uber welche niemand hochzeit geste und
andere zechleute halten oder in gastereien und
zechen oder hochzeiten sitzen dörfe, oder aber
einer straf gewertig sein.
Es ist auch sehr eine schendliche gewonheit
eingerissen auf den dörfern, das die bauern auf
und an den hohen festen, als weihnachten und
pfingsten, ihre seuferei bald abends des festes an-
fangen und die nacht uber treiben und morgens

die predigt entweder gar verschlafen oder trunken
in die kirchen kommen und darinnen wie die seu
schlafen und schnarchen.
So sol auch an den orten, da das vogel
schiessen nicht genzlich abgethan werden mag,
ehe nicht denn auf den dinstag in pfingsten, nach
der predigt, zuschiessen angefangen, und uber
denselben tag kein gemein bier dabei oder nach
getrunken werden.
An etlichen orten missbrauchen die bauren
ihre kirchen, welche ein bethaus sein sol, für ein
kretzschmar oder bierkeller, schroten das pfingst-
bier darein, damit es frisch bleibe, und saufens
daselbst aus mit gotteslesterung und fluchen und
dörfen wol in der kirchen die priester und das
ministerium verechtlich verhönen und verspotten,
treten auf die canzeln, richten predigten an zum
gelechter, umb welcher missbrauch und ubertretung
willen nicht allein die bauren von ihrem erbherrn
und amptleuten, sondern auch die obrigkeit selbst
von uns sollen ernstlich gestraft werden, das sie
solche verachtunge des predigampts und missbreuch
des gotteshaus den bauren gestadten und erleuben.
Wie dann gott selbst im fünf und funfzigsten
jare das bauersvolk sonderlich verwarnet und er-
innert hat, und solchem schwelgen abzustehen, da
er eben am pfingstsontag unter der predigt an
vielen orten das liebe getreide auf dem felde,
jemmerlich mit einem erschrecklichen wetter in
die erden geschlagen und in etzlichen örtern, da
das pfingstbier im glockenthurm gelegen ist, und
die bauren gewisslich mehr ihre gedanken auf
die fürhabende desselbigen tages seuferei, denn
auf die predigt oder zum gebet gericht hatten, in
die kirchen, mitten in den chor mit dem feuer-
stral geschossen hat, welches exempel billich jeder-
man erschrecken, und zu gottes furcht reizen und
treiben sol.
Desgleichen ist ein gefehrliches, schedliches
schwelgen auf den bauers hochzeiten in dörfern
unter den gesellen, welche die ganze nacht an-
einander mit grossem gotteslestern, fluchen, un-
züchtigen worten und werken das gesellenbier
saufen, daraus bisweilen balgen und mord, hurerei,
und allerlei greuliche unzucht erfolget.
Solche ungereimte, gefehrliche schwelgerei,
die an ihr selbst eine grosse verdamliche sünde
und ursach gibt zu den allerhöchsten lastern,
sünden und schanden, sol billich von aller christ-
lichen obrigkeit mit ernst abgeschafft und bei
harter straf verboten werden, wo wir anders nicht
wollen mit solcher hinlessigkeit und durch die
finger sehen gottes grausamen zorn und straf uber
uns selber laden und heufen, welche bei solchen
lastern nicht pflegen aussen zubleiben, wie der
liebe Paulus spricht, lasset euch niemand verfüren
mit vergeblichen worten, daun umb dieser laster
 
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