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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0725
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160. Wittenberg. Kirchen-Ordnung für Wittenberg. 1522.

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Wittenberg beobachtete Trauungsordnung enthält. Derselbe schliesst sich an Luther’s Trau-
büchlein (wie erklärlich) an, soll aber doch, weil er die wirklich beobachtete Form wieder-
giebt, abgedruckt werden. (Nr. 163.)
5. Einen interessanten Einblick in die kirchlichen Zustände der Stadt, namentlich in
finanzieller Beziehung, gewährt ein Bericht des Rathes vom 15. September 1548. Diesen Be-
richt hatte der Rath auf Anordnung des Kurfürsten Moritz zu erstatten. Vgl. oben S. 103
und Dresden, H.St.A., Loc. 10600, Eingeschickte Visitationsordnungen, 1548.
6. Über die Visitation des Jahres 1592 vgl. oben S. 139.
160. Kirchen-Ordnung für Wittenberg. 1522.
[Nach dem Originaldruck. 1. B. 4°. Die Abweichungen der Roth’schen Schrift stehen in Anmerkungen.]

Ernstlich ist einhelliglich beschlossen, das all
zins der gotzheüser, all priesterschaften 1), und
alle zins der gewerken, söllen zuhaufen geschlagen
und in ain gemainen kasten gepracht werden,
darzu seind verordnet zwen des rats, zwen von
der gemain, und ain schreiber, die sollich zins
einnemen, inhaben und damit arm leüt versehen
sollen.
Item es söllen hinfüro die zins der lehen
der priester, wenn die durch absterben ains
priesters los fallen, auch in den selben gemainen
kasten geschlagen, und kainer fürohin verlihen
werden.
Es2) sol auch kain betler in unser stat ge-
litten werden, wellich alters oder krankhait halben
zu arbaiten nit geschickt seind, sonder man sol
die zu arbait treiben, oder aus der stat verweisen,
die aber aus zufellen als krankhait oder ander
zufell halben von armut wegen, die söllen aus dem
gemainen kasten durch die verordneten zimlicher
weiss versehen werden etc.
Item es sol was ordens die seind kain ter-
minei bei uns halten.
Item es sol kainem münch in unser stat zu
betlen gestattet werden, sonder si mügen sich
ihrer zins die si jetzund haben, und darzu mit
iren henden aufhalten und neren.
Item es ist auch inventiert alles das, so die
klöster jetzund bei uns habent, als kelch, pati-
ficalia, monstranzen, und der gleichen auch all ir
einkommen verzaichnet, das si besitzen und järlich
aufzuheben habent.
Item kain frembder schuler sol in unser stat
geliten werden, wil aber ainer oder mer bei uns
studiren, der mag sich selb mit essen und trinken
versehen, dan wir kainem wöllen gestatten zu
betlen noch zu mendicieren.

1) Roth: alle bruderscheft.
2) Roth: Item es soll kein bettler in unser stat
geliden werden; welche aber alders halben ader krangk-
heit halben nit geschickt sein, die sollen auss dem ge-
maynen kasten durch die verordenten zimlicher weisse
vorsehen werden; wu aber nit, sall man sie auss der
stat jagen.
Sehling, Kirchenordnungen.

Item es söllen auch die stationirer noch kainer-
lai kirchenbitter nit geduldet werden, in an-
sehung das alle kirchen berait und mer dann zu-
vil gebaut seind etc.
Aus dem gemainen kasten soll man auch
armen handwerksleüten, die on das ir handwerk
nit vermtigen täglich1) zu treiben, leihen, damit
si sich neren mügent, doch dasselb auf ain ge-
setzte zeit widerumb zugelten, on ainiche ver-
zinsung ; welche aber unvermüglich seind das wider
zugeben, den sol man des umb gots willen er-
lassen.
Item aus dem gemainen kasten sol man armen
waisen, besonder junkfrauen, zimlicher weiss be-
raten und ausgeben, auch sunst armer leüt kinder.
Item wa aber sollich zins zu sollichen guten
werken nit gnugsam seind, oder sich nit als weit
erstrecken wurden, so sol ain jeder, er sei priester
oder burger, nach dem er hat, järlich ain summa
gelts, dem armen haufen zu aufhaltung raichen.
Item die priester, die wir jetzund haben, die-
weil ir zins auch in den gemainen kasten ge-
zogen seint, darvon sich jeder järlichen von den
vigilien, die si halten, bei acht guldin gehabt
haben, söllen mit sechs guldin järlich versehen
werden; dieweil dann die mess und vigilien ver-
geen, mügent si für das selbig gelt arm krank
leüt ersuchen, und in iren nöten trösten, doch
sollen sie niemant zu testamentarien bestellen
noch halten.
Item die bild und altarien in der kirchen
söllen auch abgethon werden, damit abgötterei zu
vermeiden, dann drei altaria on bild genug
seind2).
1) Roth: redelich.
2) Von hier an lautet der Schluss der Ordnung
bei Roth folgendermassen:
Item wan messe gehalten, sso sall man das wort
gottes und evangelium Christi predigen, also das alle-
wege das wort gottes und die messe zugleich gehandelt
werden.
Item die messe sall nicht anders gehalten werden,
dan wie sie Christus eingesetzt hat, durch etliche
krangken im glauben derhalben lest man nach singen
Introitum, Kyrieelyson, Et in terra, Epistel, Gradual ane
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