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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0042
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Nassau

1. Kirchenordnung [um 1532] (Text S. 57)
In die Zeit erster reformatorischer Maßnahmen gehört eine handschriftlich überlieferte Ordnung von ca.
1532.28 Die im Auftrag Graf Wilhelms I. von Heilmann Bruchhausen von Crombach, eventuell unter Mit-
arbeit von Leonard Wagner,29 entworfene Kirchenordnung30 richtete sich an die Pfarrerschaft in Nassau-
Dillenburg. In sieben Artikeln hielt sie Regelungen zu Kirchweihfesten, Kirchengesang, Beichte, Predigten
sowie Amts- und Lebensführung der Geistlichen fest.31 Obwohl die Ordnung auf den brandenburg-ansba-
chischen Landtagsabschied von 1526 zuriickgeht32 und Anleihen aus Luthers Schrift „An den christlichen
Adel deutscher Nation“33 erkennen lässt, ist ihr reformatorischer Impetus zuriickhaltend, sie macht noch
zahlreiche Zugeständnisse an die Altgläubigen. Mit dieser Schrift sollten zunächst lediglich die vorhandenen
Missstände abgeschafft, nicht jedoch grundsätzliche Änderungen der kirchlichen Zeremonien herbeigeführt
werden.34 Die um 1532 formulierten Regelungen flossen in die Kirchenordnung von 1537 (Nr. 2) ein und
waren in dieser Form bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts in Nassau-Dillenburg gültig.
2. Kirchenordnung [nach 31. August 1537] (Text S. 64)
Während die Kirchenordnung von 1532 (Nr. 1) noch zahlreiche Zeremonien des altgläubigen Kultus zuge-
lassen hatte, machte Wilhelm I. wenige Jahre später keine Kompromisse mehr, denn 1533/1534 führte er
den von Andreas Osiander verfassten Nürnberger Katechismus sowie die von Johannes Brenz und Osiander
entworfene brandenburg-nürnbergische Kirchenordnung.35
Unterdessen war es im Siegener Franziskanerkloster zu Protesten gegen Leonard Wagner, den seit 1531
an der Stadtkirche amtierenden evangelischen Pfarrer, gekommen. Graf Wilhelm I. hatte den Franziska-
nern daraufhin 1532 zu predigen verboten. Als der Graf die Mönche 1534 auf die brandenburg-nürnbergi-
sche Kirchenordnung verpflichten wollte, verweigerten sich diese, woraufhin er sie der Stadt verwies.36 In
den Siegener Konventsgebäuden wurde umgehend eine Lateinschule eingerichtet,37 zu deren Rektor Eras-
mus Sarcerius38 (1501-1559) aus Lübeck berufen wurde, der an Pfingsten 1536 seinen Dienst antrat. Sar-

28 Münch, Zucht und Ordnung, S. 38 Anm. 96; Ja-
cobson, Geschichte, S. 655. Demgegenüber ordnete
Weiss, Einführung, S. 16-21 den Text in den Zusam-
menhang mit dem Schriftwechsel um das Siegener Fran-
ziskanerkloster aus dem Jahr 1529 ein, vgl. Schmidt,
Glaube, S. 31 Anm. 13.
29 KNODT, Kirchenordnung, S. 233; Weiss, Einführung,
S. 21; Arnoldi, Geschichte 3, 1, S. 177f.
30 Obwohl diese Ordnung als Bedenken tituliert ist, wird
sie in der Forschung als erste Nassauer Kirchenordnung
aufgefasst, siehe Münch, Nassau, S. 238; ders., Zucht
und Ordnung, S. 38; Schmidt, Glaube, S. 31f.; Steu-
bing, Kirchen- und Reformationsgeschichte, S. 319-327;
Struck, Zur Reformation, S. 98; Steitz, Geschichte I,
S. 51; Schröer, Reformation, S. 142.
31 Zum Inhalt siehe Wienecke, Einführung, S. 84f.;
Münch, Zucht und Ordnung, S. 39; Peters, Sarcerius,
S. 30f.; Arnoldi, Geschichte 3, 1, S. 177-179; Nebe,
Zur Geschichte 1864, S. 8-10.
32 Abdruck in Sehling, EKO XI, S. 88-97. Vgl. KNODT,
Kirchenordnung, S. 189, 233; Münch, Zucht und Ord-
nung, S. 39; Weiss, Einführung, S. 20. Eine Abhängig-
keit von der Klever Kirchenordnung von 1532, die Ja-
cobson, Geschichte, S. 656 und diesem folgend Hatz-
feld, Reformation, S. 99f. annimmt, bestand nur inso-
fern, als dass diese ebenfalls auf den Landtagsabschied

von 1526 zurückging, wie Münch, Zucht und Ordnung,
S. 39 Anm. 100 und Nebe, Zur Geschichte 1864, S. 8
darlegten.
33 Abdruck in WA 6, Sp. 381-469; Peters, Sarcerius, S. 31.
34 Wienecke, Einführung, S. 85; Schmidt, Glaube,
S. 31; Peters, Sarcerius, S. 31; Hatzfeld, Reforma-
tion, S. 99f.
35 Abdruck der brandenburg-nürnbergischen Kirchenord-
nung in Sehling, EKO XI, S. 140-205 und Osiander,
Gesamtausgabe 5, S. 63-177. Vgl. Münch, Zucht und
Ordnung, S. 40; Hatzfeld, Reformation, S. 101;
Schmidt, Glaube, S. 32; Heiler, Von der Frühzeit,
S. 74; Schröer, Reformation, S. 143. Über den Zeit-
punkt der Einführung herrscht Uneinigkeit, KNODT,
Reformation, S. 234 entschied sich für 1533; Hatzfeld,
Reformation, S. 101 und Röttsches, Luthertum, S. 16
für 1534; Münch, Zucht und Ordnung, S. 40 und
Schmidt, Glaube, S. 32 plädierten für 1533/34.
36 Wienecke, Einführung, S. 83, 85f.; Achenbach, Kir-
chen-Reformation, S. 8-11, 25-28; Hatzfeld, Refor-
mation, S. 101; Weiss, Einführung, S. 22; Peters, Sar-
cerius, S. 32; Weber, Schelme, S. 35; Schröer, Refor-
mation, S. 143; Bingener, Siegen - Franziskaner,
S.337-339.
37 Ohrndorf, Einführung, S. 119-121.
38 Zu Erasmus Sarcerius siehe Peters, Sarcerius, S. 19-47;

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