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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0050
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Nassau

Lehre und Gottesdienste, Aufnahme, Qualifikation, Einführung und Einsetzung der Stiftsdamen sowie der
Äbtissin, die verschiedenen Klosterämter, Zucht und Disziplin, ferner Details der Klosterverwaltung. Mit
dem Werk von 1570, das laut Schlussformel auch für die übrigen Frauenklöster der Grafschaft Nassau-
Dillenburg Geltung besaß,103 war die reformatorische Ordnungstätigkeit der Nassau-Dillenburger Grafen
für das Kloster Keppel zu einem Abschluss gelangt. 1594 ließ Johann VI. die Ordnung zwar noch einmal
überarbeiten,104 die Veränderungen waren jedoch marginal und nahmen keinen Bezug auf die seit Ende der
1570er Jahre in Nassau-Dillenburg eingeführte Zweite Reformation.

2c. Die Einführung der Zweiten Reformation unter Johann VI. und Johann VII. (1573-1618)
Der lutherisch erzogene Graf Johann VI. hielt auch nach seinem Regierungsantritt im Juli 1560 zunächst an
diesem Bekenntnis fest.105 Eine 1566 unternommene Reise in die Niederlande sowie ein Besuch bei seinem
Bruder Ludwig, der in Nassau-Siegen die reformierte Lehre einführte, brachten ihn Calvins Theologie
jedoch näher.106 Eine Veränderung des Bekenntnisstandes der Grafschaft strebte er zunächst aber noch
nicht an, wenngleich in den 1560er Jahren bereits erste Anzeichen für eine konfessionelle Neuausrichtung
erkennbar waren: 1569 war zwar Maximilian Mörlin aus Coburg als Hofprediger und Generalsuperinten-
dent nach Nassau berufen worden, der gemeinsam mit dem Siegener Superintendent Bernhard Bernhardi
ein orthodoxes Luthertum vertrat, im gleichen Jahr war aber die Herborner Pfarrstelle mit dem für seine
reformierte Abendmahlslehre bekannten Gerhard Eoban Geldenhauer10' genannt Noviomagus besetzt wor-
den.108
Anfang der 1570er Jahre wurden weitere personelle Veränderungen vorgenommen: 1572 hatte Bernhard
Bernhardi die Grafschaft unter anderem wegen dogmatischer Auseinandersetzungen mit Geldenhauer ver-
lassen müssen, und dieser übernahm anschließend Bernhardis Position. Auch Maximilian Mörlin verließ die
Grafschaft Ende des Jahres. Neben Geldenhauer wurde der seit 1574 als Hofprediger amtierende Andreas
Rauting109 zum führenden reformierten Theologen in Nassau-Dillenburg.110
Mitte der 1570er Jahre lassen sich erste Bemühungen erkennen, die evangelische Kirchenleitung mittels
eines Kirchenrats zu stabilisieren. Hiervon zeugen mehrere Gutachten, die allerdings nicht in eine obrig-
keitlich approbierte Ordnung mündeten: Geldenhauer hatte 1573 und 1574 zwei Stellungnahmen ver-

103 Hierzu gehörten das Prämonstratenserinnenkloster
Altenberg (Solms-Oberbiel, Lahn-Dill-Kreis) sowie das
Zisterzienserinnenkloster Gnadenthal (Landkreis Lim-
burg-Weilburg), vgl. Becker, Johann VI., S. 20f.;
Spielmann, Geschichte 1, S. 458-460; Klein, Ste-
phani, S. lllf.
104 LAV NRW Münster A 418 I, Nr. 245.
105 Wolf, Einführung, S. 165; Röttsches, Luthertum,
S. 30-32.
106 Münch, Zucht und Ordnung, S. 73f. und Anm. 342;
Schmidt, Glaube, S. 201f.; Ohrndorf, Einführung,
S. 81f.; Groppler-Görgen, Johann VI. 1, S. 129f.;
Röttsches, Luthertum, S. 38f., 45-47; Elkar, Fürst-
liche Religion, S. 202f.
107 Gerhard Eoban Geldenhauer war der Sohn des gleich-
namigen Theologen an der Universität Marburg. Er
blieb von 1569 bis 1579 in Herborn und ging dann als
Pfarrer ins nassau-dillenburgische Wilnsdorf, 1583 ver-

ließ er die Grafschaft, Ohrndorf, Einführung, S. 83
Anm. 26; Schmidt, Glaube, S. 203-210; Steubing,
Biografische Nachrichten, S. 65-117.
108 Die Herborner Pfarrkirche stand unter dem Patronat
des Marburger Deutschordenskomturs, Schmidt,
Glaube, S. 203; Ohrndorf, Einführung, S. 83 Anm. 26.
109 Andreas Rauting (☨1584) hatte 1562 in Marburg stu-
diert, war 1567 Lehrer in Siegen und Hofmeister Wil-
helms von Oranien sowie Johanns VI. von Nassau-Dil-
lenburg gewesen. 1573 war er Kaplan in Siegen, 1574
Hofprediger in Dillenburg, dort von 1577 bis zu seinem
Tod auch Pfarrer und Inspektor, Steubing, Biogra-
phische Nachrichten, S. 169-174; Münch, Zucht und
Ordnung, S. 74 Anm. 345; Ohrndorf, Einführung,
S. 86 Anm. 34.
110 Münch, Nassau, S. 243; ders., Zucht und Ordnung,
S. 74; Schmidt, Glaube, S. 205f.; Achenbach,
Geschichte der Stadt Siegen, S. 7.

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