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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0053
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Einleitung

Lehre.133 Zu dieser Zeit nahm er einige reformierte Glaubensflüchtlinge in seinem Land auf, darunter Wolf-
gang Krell,134 Otto von Grünrade,135 Friedrich Widebram136 und Christoph Pezel137 sowie einige Pfarrer aus
der Kurpfalz, wo Ludwig VI. 1576 wieder zum Wittenberger Bekenntnis zurückgekehrt war.138
Ein deutliches Signal seiner Konversion gab Graf Johann VI. am 21. Juli 1577, als er das Abendmahl
mit gebrochenem Brot feierte.139 Um den Konfessionswechsel in der Grafschaft zu manifestieren, beauf-
tragte er Pezel und Geldenhauer, ein Bekenntnis zu verfassen. Anfang Mai 1578 legten sie einen Entwurf
vor,140 auf dessen Grundlage das Bekenntnis schließlich erarbeitet und von der Generalsynode, die vom
8. bis 10. Juli 1578 in Dillenburg tagte, gebilligt wurde.141 Das nassauische Bekenntnis basierte auf der
Confessio Augustana Variata von 1540, es markierte den Übertritt Nassau-Dillenburgs zur reformierten
Konfession.
Auf einem weiteren Konvent, der am 2. Oktober 1578 in Dillenburg zusammentrat, wurden Fragen der
kirchlichen Verfassung beraten. Hier plante man nicht nur halbjährliche Konvente der Inspektoren, son-
dern fertigte auch den Entwurf einer Presbyteriumsordnung an, ein offzieller Erlass dieses Regelwerks liegt
jedoch nicht vor.142
Johann VI. musste die Durchsetzung des Bekenntniswechsels in den einzelnen Landesteilen unmittelbar
darauf unterbrechen, da er die Statthalterschaft in Geldern übernommen hatte, die ihn vier Jahre lang von
seinen Dillenburger Regierungsgeschäften fernhielt.143 Während seines Aufenthalts in den Niederlanden
oblag Christoph Pezel und Gerhard Eoban Geldenhauer die kirchliche Aufsicht, sie nahmen jedoch keine
weiteren Maßnahmen zur Festigung des reformierten Bekenntnisses vor, erst der Graf selbst führte nach
seiner Rückkehr im Frühjahr 1580 diese Aufgabe fort. Im Jahr darauf wurde beschlossen, den Heidelberger

133 Münch, Zucht und Ordnung, S. 73f.; Glawischnig,
Niederlande, S. 61-64, 114-129; Wolf, Johann VI.,
S. 54; ders., Einfluß, S. 91, 102; ders., Einführung,
S. 165f.; Weber, Schelme, S. 38.
134 Siehe oben, S. 33 Anm. 112.
135 Otto von Grünrade (1545-1613) hatte in Leipzig und
Wittenberg studiert und war 1575 an die Dillenburger
Grafenschule berufen worden, um die Söhne Johanns VI.
zu unterrichten. Spätestens 1580 nahm Johann VI. von
Grünrade als Rat in seine Kanzlei auf, wo dieser bis
1583/84 blieb. Seit 1584 war von Grünrade Präsident des
kurpfälzischen Kirchenrates in Heidelberg, 1596 wirkte
er in der Oberpfalz und 1609 in der Grafschaft Hanau-
Münzenberg, Münch, Zucht und Ordnung, S. 83
Anm. 401; Glawischnig, Niederlande, S. 240; Ohrn-
dorf, Einführung, S. 90 Anm. 51; Wolf, Graf Johann
der Ältere, S. 131-137; Cuno, Grünrad, in: ADB 49
(1904), S. 603-605; ders., Blätter, S. 73-76; Renkhoff,
Nassauische Biographie, S. 255; Müller-Ludolph,
Philipp Ludwig II., S. 210; Sehling, EKO XIX, S. 697
und Anm. 42.
136 Friedrich Widebram (1532-1584) hatte in Jena und Wit-
tenberg studiert, er wurde 1563 Professor in Jena und
1569 Pfarrer in Wittenberg. 1577 kam er nach Diez, wo
er bis 1581 als Pfarrer und Inspektor tätig war, Ohrn-
dorf, Einführung, S. 94 Anm. 67; Münch, Zucht und
Ordnung, S. 83 Anm. 402; Steubing, Biographische
Nachrichten, S. 153-160; Cuno, Widebram, in: ADB 42
(1897), S. 338-340.
137 Zu Christoph Pezel siehe oben, Anm. 125.

138 Ohrndorf, Einführung, S. 88; Neuser, Einführung,
S. 48; Achenbach, Geschichte der Stadt Siegen, S. 7.
139 Münch, Nassau, S. 244; ders., Zucht und Ordnung,
S. 83; Weber, Schelme, S. 38; Schmidt, Glaube,
S. 207; Ohrndorf, Einführung, S. 88f.; Achenbach,
Geschichte der Stadt Siegen, S. 9f.
140 HHStaatsA Wiesbaden Abt. 171, K 1181, fol. 1r-77r.
Vgl. Ohrndorf, Einführung, S. 89.
141 HHStaatsA Wiesbaden Abt. 171, K 1181, fol. 78r. Das
Bekenntnis wurde erst 1593 gedruckt unter dem Titel:
„Auffrichtige Rechenschaft von Lehr und Ceremonien,
so in den Evangelischen reformierten Kirchen nach der
Richtschnur Göttliches Worts angestellet [...]“. Einen
Teilabdruck bietet BSRK S. 720-739. Die zweite Auf-
lage von 1620 ist abgedruckt bei Heppe, Bekenntnis-
schriften, S. 68-146. Den Inhalt referiert Steubing,
Kirchen- und Reformationsgeschichte, S. 107-133. Vgl.
Ohrndorf, Einführung, S. 90 Anm. 50, S. 89f.;
Münch, Zucht und Ordnung, S. 84 Anm. 408; ders.,
Nassau, S. 245; Reu, Quellen III, 2/1, S. 1201*ff.;
Wolf, Einführung, S. 181.
142 Reinschrift des Konventsprotokolls in HHStaatsA Wies-
baden Abt. 171, S 427a, fol. 101r-110r. Vgl. Münch,
Zucht und Ordnung, S. 85; Wolf, Einführung, S. 182;
Ohrndorf, Einführung, S. 93; Schmidt, Glaube,
S. 209.
143 Münch, Zucht und Ordnung, S. 84; Wolf, Einführung,
S. 181; Groppler-Görgen, Johann VI. 1, S. 104-116;
Rörig, Beiträge, S. 38f.; Menk, Politik, S. 126-130,
S. 120 Anm. 2 mit weiterführender Literatur.

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