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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0077
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1. Kirchenordnung [um 1532]

len unseligkeit, sollen sey, sovil der sein, in allen
stetten, flecken unnd dorffern uf eynen benanten
tagk, nemlich im ampt Siegen auff Segener unnd im
ampt Dillenburg auff Dillenberger kirchweyhunge
gehalten werden, damit eyn jederh in seiner phar da-
heym pleibe unnd niemant gastunge zuhalten verur-
sacht, dan dieselben gastungen, essen unnd drinck-
en, sollen gantz und gar abgestalt sein bey der bueß,
so offt und dick eyner verbriecht. Es hilfft hie nicht
derren innrede, die sagen, eß hab eynnen guten an-
fangk, derhalb soll es nit geendert werden. Hub
doch Got sein eygen gesatz uff, daß er vom himel
herab geben hatte, da es in eynnen mißbrauch ver-
kert wart.
Es ist auch an etlichen orthen der gebrauch im
lande, daß der kirchenn unnd capellen patronen
tage mit gastungen, onordigem fressen unnd sauffen
gleich den kirchweyhungen begangen werden, wel-
ches dem armen man unvermirckt15 zum verderben
[g]erreicht, doch wer der schade am guth das gering-
ste, wen die volgende laster fullery, mordt, ehe-
bruch, uncristlich, unerlich goteslasterunge unnd
alle untugent nit folgten. Derhalben sol solchs auch
gentzlich abgethan 13r | unnd eynnem jeglichen
nach gehaltenem gottesdienst, meß unnd predigt
ungessen unnd -gedruncken widder in sein behau-
ßunge zugehen gebotten werdenn unnd die ubertret-
ter bye der buyß gestrafft.
Vom gesang in kirchen: Der dritte artickul
Es ist allenthalben eyn großer mißbrauch im gesan-
ge, der in gotlichem dienst gefoert wirt, dan waß
horret man doch in allen kyrchenn unnd stifften dan
nur eyn gereusch der stymen, daß nicht recht eyn
eynniges wort vernomen wirt unnd die senger nicht
sovil zeit unnd muß nemen, daß, so sie singen, zu-
bedenken. Allein werden die orren vom gesange er-
fult, so doch solicher gesang eyn underscheidliche
geordnette unnd woll lautende ausprechunge sein
solde, wie eß im anfange der kirchen ist gewesen,
ß Mat. 6 [7-8].
Y 1. Cor. 14 [19],
h B: icklicher.

derhalb sollen alle amptleute, bevehelhaber, pfar-
hernn, kyrchmeister unnd wer pfarren zu regirren
unnd zuversehen hait, eyn fleissig auffsehens ha-
benn, daß mit deutschlichen1, verstendigen unnd
gantzen worten zuchtig unnd andechtig die ge-
zeide16 in kirchen wie bißher gesungen | 13v | unnd
gelesen werd, on in den pfarkirchenn, dar man met-
ten pflegt zusingen, das die selbigen mit dreyen psal-
men und dreyen lectionen mit hertzlichem ernst, an-
dacht unnd glauben gehalten werden, welches besser
ist dan mit neunnen on solich andacht. Es liget je
Got nicht an viell, sonnder an woel bettenß, ja, er
verdampt die langen unnd viell gebeth. So wil auch
sant PaulusY lieber im gemut funff wort in der kir-
chen reden, andere zu underwisen, dan zehen tau-
sent wort mit der zungen.
Von allen anderen ceremonien inn gemeyn:
Der vierte articul
Es sollen auch alle auffgesetzte ceremonien allent-
halben in disem lande gehalten werden, wie die von
der helligen cristlichen kirchen unnd vettern auff-
gesetzt seint wurden, unnd sollen alle prediger dem
gemeinen volck erzellen, warauß sey irren ursprunck
haben unnd warrumb sey uffgesetzt seint, auch,
waß daemit gemeint sey, daemit sye irer auffsatzun-
ge nach unnd anderer gestalt nit gepraucht werden,
also das niemant darinn eynnigen vertrawen setze
oder stelle, als solten solich ceremonien zu der selig-
keit 14r | von noeten sein, sonder allein die eher
unnd lob Gottes bedencken unnd suchen, alles bis
auff eyn gemein cristlich concilium oder nacional
versamlunge, daemit allenthalben eynnigkeit gehal-
ten unnd zweyspalt vorkommen werde.
Auff das solichs alles, darvon in vorgehenden ar-
ticulen gesagt, kein ergerniß gebere bey den kleyn-
verstendigen, sollen die pfarhernn unnd prediger so-
lichs alß die lauthere warhait dem armenn, gemei-
nen, ungelernten man zuvor durch Gottes wort ge-
trewlich unnd woel underrichten, dan solt man so-
i B: deutlichen.
15 Unbemerkt, insgeheim.
16 Stundengebete.

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