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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0239
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32. Kirchenordnung 1574/1576

len andern fellen, da fleischliche vermischungen vor
dem offentlichen Kirchgang beschehen seyn, der
Braut nicht in dem Krantz53 zur Kirchen zu gehen,
auch keine Schenckhochzeit54 zu machen, verstattet,
sondern beyde Personenh anders nicht dann mit
| F4r | vorgehender offentlicher Penitentz eyngeseg-
net werden.
iUnd da gleich dasselbig auß unwissenheit unter-
lassen, hernach aber darmit, daß das Weib für der
zeit ins Kindbeth käme oder sonsten an tag bracht
würde, so sol nichts desto weniger alsdann gegen
denselben Personen mit gebürender Straff nach ge-
legenheit der Felle verfahren werden, darumb auch
unsere Superintendenten unnd Predicanten neben
unsern Beampten jedes orts auff die Felle fleissig
achtung geben, dieselben jederzeit in unsere Cantz-
leyen gelangen lassen, sich der straff halber daselbßt
bescheids erholen und in dem niemands ubersehen
solleni
jDa aber in obberürtem fallj bey dem beklagten
theil, der allein deß beyschlaffens, wie obsteht, und
sonst keiner Eheversprechung gestehet, auch der
nicht uberwiesen werden kan, nit zuerhalten ist, daß

g-g KO 1618: Es soll aber.
h KO 1618: Personen, da keine Eheversprechung vor sol-
chem ungebürlichen Beyschlaff hergangen.
i-i KO 1618: Im Fall aber noch vor dem offentlichen Kirch-
gang kunt und ruchtbar würde, daß ehelich verlobte Per-
sonen nach solchem Ehegelübt sich zu früe hetten zu-
sammengethan, soll derselbige begangene Fehler, als der
Christlichen Zucht unnd Erbarkeit zu entgegen leufft,
bey der offentlichen Einsegnung und Copulation mit be-
scheidenlichem Ernst gerüget unnd die excedirente Per-
sonen unserem Herren Gott und der Kirchen versöhnet
werden. Trüge sichs dann, im Gegentheil, zu, daß solcher
verlobter Personen Excess erst nach beschrittenem Ehe-
bett würde in Erfahrung gebracht, wollen wir dieselbige
hiermit ernstlich angewiesen haben, daß sie uff Erfor-
derung sich bey den Kirchendienern und Seniorn oder
Sündscheffen einstellen, unnd was ihnen zu ihrer Correc-
tion wie auch befriedigung ihres beschwerten Gewissens
vorzuhalten, vernemen sollen.
j-j KO 1618: Wenn.
k-k KO 1618: zu deß Kindes Alimentation und der ge-
schwechten Weibsperson (da dieselbige sich sonsten aus-
serhalb dieses Falls ehrlich gehalten unnd eines guten
Gerüchts gewesen, worbey auch der Eltern Herkommen,
Zustandt unnd anders in Erwegung zu nemen) zu gebü-
renden Abtrag angewiesen werden.
l KO 1618: an den.

er die geschwechte Person Ehelichen wöll, So sol
dasselbige Gott dem Herrn als dem gerechten Rich-
| F4v | ter und Hertzkündigern55, dem nichts verbor-
gen ist, befohlen, Gleichwol die beklagte von wegen
geubter unzucht mit dem Thurn und darzu einer ge-
bürlichen Geltbuß nach gelegenheit der uberfahrung
gestrafft, auch ksonst der geschwechten Person zu
bezalung gebürlicher Außsteuwer nach ihres Vatters
vermögen und so vil ir derselbig ungfehr mitgeben
hette, in dem fall, da dieselbige Person sich sonst
ehrlich gehalten unnd eines guten Gerüchts gewesen
ist, angehalten werdenk. Ist aber die Dirne leichtfer-
tig, eines bösen Gerüchts und verdächtigen anhangs
oder hat selbßt diesen iren fall verursacht, so sol ir
nicht allein nichts gegeben, sondern sie noch darü-
ber das erste mal mit dem Thurn und das ander mal
neben der Thurnstraf auch mit offentlicher stellung
anl Pranger, darzu Statt-, Ampts- oder Landesver-
weisung auff ein gewisse zeit oder auch ewig nach
gestalt der verwirckung gestrafft werdenm.
Und nachdem hieroben geordnet ist, da | G1r |
auff ein Ehegelübdt, dessenn der beklagte theil ver-
leugnete, geklagt unnd nichts bewiesen werden

m KO 1618: werden. Dieweil die Erfahrung bezeugt, daß es
mit Ufferziehung der unehlichen Kinder bißweilen fahr-
lässig und ungleich zugehet, Die Fälle aber sich also ver-
schieden zutragen, daß denselbigen nicht wohl eine
durchgehend gewisse Maß kan gegeben werden, Als wol-
len wir unsere Officianten jedes orts dahin ernstlich erin-
nert haben, hierinn auch gebürliche Oberkeitliche Vor-
sorge zu tragen unnd also nach Gelegenheit der Sachen
Verordnung zu thun, damit solche arme Kindlein nit ver-
wahrloset und versaumbt werden.
n KO 1618: welches.
53 Jungfernkranz.
54 Hier sind Freihochzeiten gemeint, bei denen das Braut-
paar alle Kosten des Fests übernahm. Das Gegenstück
hierzu waren die Schenkhochzeiten, bei denen die Fest-
teilnehmer dem Brautpaar einen Geldbetrag überreich-
ten, mit dem die Unkosten beglichen wurden, siehe
Voith-Drobnitzky, Regina, Gebehochzeiten in
Westfalen. Zum Wandel der Schenkbräuche unter dem
Einfluß obrigkeitlicher Maßnahmen (Münsteraner
Schriften zur Volkskunde/Europäische Ethnologie 2),
Münster 1998, bes. S. 11-49. Vgl. die Ysenburger Kir-
chen- und Sittenzuchtordnung [1581]/1587, unten,
S. 706.
55 Vgl. Lk 16,15; Apg 15,8; Sir 42,18; Ps 44,22.

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