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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0263
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32. Kirchenordnung 1574/1576

Wiewol wir aber zu dieser zeit an besondere tage
unnd stunde gleich so wenig als an gewisse beson-
dere speise verbunden seind, wie der Apostel sagt:
So lasset euch nun niemand ein gewissen machen
Ubers Tranck oder uber bestimpten Feyertagen oder
Neuwmonden oder Sabbather etc.,131 Dieweil aber
doch die verkundigung Göttlichs Worts und Admi-
nistration der heiligen Sacramenten solche werck
seind, die beyeinander gehören unnd nicht heimlich
unnd in winckeln, sondern offentlich, wo und wann
die gantze Gemeine zusammenkompt, billich geubt
unnd gebraucht werden, So sollen sich alle Prediger
befleissen, daß sie ausserhalb dem fall der not allein
auff die tage, wann man Predigt, unnd nach gehal-
tener und vollendeter Predigt in gegenwertigkeit der
Gemein teuffen unnd das volck vermahnen und an-

s Agende 1618: Uber Speiß oder.
t Agende 1618: ihr privat unnd eigene haußliche, sondern
die rechte.
u Agende 1618: mögen, In massen, auch den Kirchendie-
nern hiemit eingebunden wirt, den Täuffling auch uff der
Cantzeln ußdrucklich ins gemeine Gebet mit einzu-
schliessen.
v-v Fehlt Agende 1618.
w Agende 1618: helffen. Nicht weniger sollen die Eltern
dahin bedacht seyn und von den Kirchendienern dessen
erinnert werden, daß sie solche Gevattern bitten, die ih-
res Alters und Verstands halber zulässig und nicht gar
Kinder im Christenthumb sind, Vornemblich aber unter
alten Leuthen solche Personen zu diesem Christlichen
Werck ersuchen, zu denen sie das vertrawen haben kön-
nen, daß sie fromme Christen seyn unnd im Geist unnd
warheit beten können. Offentliche Unchristen, als Hu-
rer, Ehebrecher, Drunckenboltz, Todtschläger, Wuche-
rer und dergleichen, Ja auch solche Leuth, so halßstar-
riger und vorsetzlicher weiß irrigen Opinionen und Sec-
ten anhangen und von unser Kirchen Confession und
Lehr lästerlich zu reden und urtheilen pflegen, sollen sie
nicht zu Gevattern betten noch, so sie zur Tauffe kom-
men, von den Kirchendienern und dem Täuffer zugelas-
sen werden. Weren es aber solche Leuth, die auß Einfalt
unnd unwissentlich irreten, auch nicht lästerten, von de-
nen Hoffnung zu schöpffen, daß sie noch durch Gottes
Gnad möchten gewunnen werden, die mag der Pfarrer
zulassen, doch daß er sie zuvor ihres Irrthumbs erinnere,
unterrichte unnd zur Buß vermahne mit vermeldung, da
sie sich nicht bekehren, daß sie ein andermal nicht zuge-
lassen werden sollen.
Und deß alles hat man wichtige Ursachen, Denn 1. in

halten, daß sie nicht in bestimmung des Taufftags
unnd -stunde mehr sehen auff diet gelegenheit, | P2v |
so sie zum Christlichen, andechtigen gebett haben
mögenu.
Es söllen auch die Vätter, so da Kinder zu teuf-
fen haben, den Pfarherrn oder Caplan den tag zu-
vor, ehe denn sie ire Kinder zur Tauff bringen, an-
reden, umb die Tauff bitten, ire Gefattern, vso sie
gebetten oder zubitten gedencken", namhafftig ma-
chen, einen guten Christlichen bericht von der Kin-
dertauff anhören unnd darnach deß andern tags be-
neben denn Gefattern unnd andern hierzu erbette-
nen Freunden132 bey der Tauffe selbst erscheinen,
Gott anruffen und für ihre Kinder bitten helf-
fenw.

weltlichen Sachen, daran etwas gelegen, werden keine
verwerffliche Zeugen zugelassen, Vielweniger wil sichs
gebüren und verantworten lassen, in Gottes Sachen
unnd vor seinem Heyligen Göttlichen Angesicht solche
Leuthe, die von ime ires Unglaubens oder Gottlosen We-
sens halber untüchtig seyn, zu Zeugen vorzustellen.
2. Darnach soll je ein jeder frommer Vatter deß Kindes
anliegende Noth auch in dem Bedencken, daß er für das-
selbige solche Leuth darstelle, die für das Kind beten
unnd an seiner statt dem Teuffel ab- und Gott zusagen,
wahren Glauben bekennen unnd Sünd zu vermeyden,
angeloben, darzu denn solche Persone[n] gehören, die
selbst glaubig seyn und recht beten können. 3. So ist es
auch gefährlich, dergleichen Gottlose unnd unglaubige
Leuth zu Gevattern [zu] bitten umb deß Anstoß und Er-
gernus willen, so der Kirchen gegeben wirt, anderer meh-
rer wichtiger Ursachen jetzo zu geschweigen.
Demnach gibt es auch den Pfarrern mit zuzusehen, daß
sie mit Zulassung und Abstellung der Gevattern, sowohl
junger als alter, bedachtsamlich verfahren, unnd wenn
hierinn ein Scrupul vorfället, darinn Raths von Nöthen,
sofern sie es an der Zeit haben und unsere Superatten-
denten, Inspectorn oder andere ihre nächste benachbarte
Mitbrüder bereichen [=berichten] können, mit derselben
rathsamen Gutachten verfahren. Werden aber unsern
Pfarrern und Kirchendienern uneheliche Kinder vorge-
bracht unnd die Tauff begeret, sollen sie von deß Kinds
Vatter nicht lang mit denen disputiren, so die Tauff su-
chen, sondern die Heylige Tauff ohnweigerlich alsbald

131 Kol 2,16.
132 Verwandten.

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