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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0267
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32. Kirchenordnung 1574/1576

Vermanung zur Danckbarkeitt nach der Tauffe
Ihr Lieben in Christo Jesu, dieweil der Allmmech-
tige [!] Gott diß Kindelein zu der Tauff unsers Lie-
ben Herrn Jesu Christi hat genediglich kommen las-
sen, sollen wir ihm Lob und danck sagen und bitten,
daß er ihm wölle dasu Kind in allen gnaden befohlen
sein lassen.
Sprechendt also:
Allmechtiger, Barmhertziger Gott und Vatter,
wir sagen dir Lob und danck, daß du deine Kirche
genediglich erhaltest unnd mehrest undv diesem

kind verliehen hast, das |R1r| es durch die heilige
Tauffe widergeborn und deinen lieben Sohn, unsern
Herrn und einigen Heiland Jhesu Christi, eyngelei-
bet, dein kindt und Erb deiner Himlischen güter
worden ist, Wir bitten dich gantz demütiglich, daß
du diß kind, so nunmehr dein kind worden ist, bey
der empfangenen gutthat genediglich bewaren wöl-
lest, damit es nach allem deinem wolgefallen zu Lob
und preiß deines heyligen Namens auff das trewli-
chest und gottseligst aufferzogen werde und endt-
lich das versprochen Erbtheil im Himmel mit allen
Heiligen entpfahe, durch Jhesum Christum, Amen.

Von der Nothtauffew

Der Apostel Paulus sagt: Die Weiber sollen still-
schweigen in der Gemeine137, damit er inen nicht al-
leine das offentlich Lehren und Predigen in gemei-
nen Christ- |R1v| lichen Versamlungen, sondern
auch das Sacramentreichen und andere zum gemei-
nen Kirchendienst gehörige Actiones und Handlun-
gen, darzu beyde, im altenx und neuwen Testament,
jederzeit die Mannspersonen bestellet gewesen
seind, benommen und verbotten haben wil, unnd
das Gottes wort predigen, Teufen, das Abendtmahl
des Herrn uberreichen in der ersten Kirchen nach
der Apostel zeiten den Weibern nicht gestattet wor-
den sey, ist gnugsam zuvernemen auß dem buch des
alten Lehrers Tertulliani: De Virginibus velan-
dis138, Wie dann auch im Concilio Carthaginensi
quarto139 außtrücklich verbotten wirt: Die Weiber
söllen nicht teuffen; derhalben sol den Wehemüt-
tern140 und andern Weibern mit allem ernst under-
sagt und sie dahin angehalten werden, daß sie, wo

t Agende 1618: Dancksagung.
u Agende 1618: dieses.
v Agende 1618: und auch.
w Agende 1618: Nothtauffe, sonst Gähetauff genannt.
x Fehlt KO 1576, ergänzt aus KO/Agende 1609, Agende
1618.
y KO/Agende 1609, Agende 1618: Actionem.
z Fehlt Agende 1618.
137 1Kor 14,34; 1Tim 2,11-12.

etwa die kinder schwach weren, deß Teuffens sich
nicht undernemen141, sondern den Kirchendiener, es
sey am tage oder in der nacht, fordern, welcher diese
Actioniy, ob sie gleich sonst für der gemeinen Kir-
chen alleinz zuverrichten, im fahl der not auch wol
privatim in gegenwertigkeit frommer Christen, de-
ren hierzu, soviel in der eil müglich, etliche erfordert
werden sollen, anstellen mag, gleich auch nach dem
Exempel etlicher alten Lehrer und Kirchendiener
unnd gemeinen jetzigen gebrauch das Abendtmal
deß Herrn Jesu Christi den krancken in gegenwer-
tigkeit etlicher andern frommen Christen verhandt-
reichet wirt, unnd hieran söllen sich die Diener
Göttlichs worts nicht hindern lassen, sondern, so-
baldt sie | R2r | zu solchen krancken kindern geför-
dert werden, ohn allen verzug und auffhalt erschei-
nen und inen die Tauffe mittheilen. Da man aber
doch den Pfarrherrn in der eil nicht haben köndt
unnd die höchste not vorhanden, söllen die Leuth

138 Tertullian, De Virginibus velandis 9,2, CSEL 76, S. 92;
PL 2, Sp. 901f. Siehe auch Tertullian, De baptismo, cap.
17,4, PL 1, Sp. 1218-1220; SC 35, S. 90f.; vgl. Sehling,
EKO VIII, S. 282 Anm. 1.
139 Concilium Carthaginense IV can. 99, 100, Mansi, Sanc-
torum Conciliorum 3, Sp. 959; Hefele, Concilienge-
schichte 2, Sp. 76; vgl. Sehling, EKO VIII, S. 282
Anm. 4.
140 Hebammen.
141 Anmaßen, Grimm, DWb 24, Sp. 1697f.

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