Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts

Nassau-Weilburg

Vonn der Christlichen versamlung, so den tag
zuvor geschicht, ehe dann man dasx Abendmal
helt, wie die angestellet, was darinn verhandlet
werden sol
Wenn nun die zeit vorhanden, zu welcher man
dasy Abendmal zu halten pflegt, sol den tag zuvor
umb Vesperzeit, zu zwo oder drey Uhr, die Gemeine
und in sonderheit diejenigen, welche das Abendmal
deß Herrn zugebrauchen bedacht seind, in der kir-
chen zusammenkommen und in solcher versamlunge
folgende stück verrichtet werden:
z1. Sol man singen einen Psalmen, zwen oder
auch drey, Teutsch oder Lateinisch, oder auch wol
ein gantze Vesper, wo Schulen seind, biß so lang das
volck zusammenkompt. |Y1v|
2.z Sol der Kirchendiener ein kurtze erinnerung
aund vermanung thun voma Abendmahl deß Herrn
Jesu Christi auff bein viertel oder zum lengsten auffb
ein halbe stunde, da dann auffs allerkürtzest und
einfeltigst sol erkleret werden, was das Abendmal
des Herren sey, warzu es vom Herrn Christo gestiff-
tet, verordnet, wie es Gottseligklich und fruchtbar-
lichen gebraucht und genossen werden möge, unnd
sol man insonderheit mit allem fleiß darauff drin-
gen, daß dem volck die gemeine heuchlische opinion
de opere operato155, daßc mans mit der eusserlichen
Ceremonien und werck, wann das vollnbracht, für
gnugsam halten wil, auß dem sinne und hertzen
außgeredt, und daß ein jeder für dem mißbrauch
dieses theuren, hochwürdigen Sacraments, darauß

x Agende 1618: das H.
y Agende 1618: das Heylige.
z-z Agende 1618: Nach verrichtem Gesang.
a-a Agende 1618: thun von Christlicher Buß und Bekehrung
zu Gott und von dem.
b-b Fehlt Agende 1618.
c Agende 1618: da.
d-d Agende 1618: beydes, bey den.
e-e Agende 1618: der Pfarrher vor den Altar tretten und
denjenigen, so das Heilig Abendmal zu gebrauchen be-
dacht sint, die offentliche Beicht sampt der Absolution
vorsprechen, darauff die Communicanten herfür tretten
und sich anzeigen sollen, da denn der Pfarrer wohl und
fleissig acht zu haben.
f-f Fehlt Agende 1618.

zeitlicher und ewiger jammer erfolget, treuwlich
unnd mit besonderm ernst unnd eiffer gewarnet und
abgeschrecket werde, dann solcher mißbrauch ist
leider zu diesen letzten zeiten bey dieser rohen, si-
chern156 Welt zuviel gemein, dbeyde, beyd alten und
jungen leuten. Darumb gehört ein besonder auffse-
hens, ernstliche warnung unnd trauwung157 Göttli-
ches zorns darzu, damit sich nicht beyde, Lehrer
und Zuhörer, vergreiffen und schuldig werden am
Leib unnd Blut deß Herrn unnd inen selbst essen
und trincken das Gericht158.
3. Auff jetztgedachte erinnerung und verma-
nung sol esich ein jedere person, insonderheit, so das
Abend- |Y2r| mal zugebrauchen bedacht ist, dem
Kirchendiener presentiren unnd anzeigen unnd ihr
das Abendmal deß Heren zureichen und mitzuteilen
bitten. Der sol dann fleissig acht drauff gebene, wer
sich anzeige, unnd einer jeden personen gelegenheit
wol betrachten.
Befindet er, daß etlich kommen, welche zu ex-
ploriren sein oder underrichts, vermahnung, straff,
trösts etc. vonnöten haben, die sol er heissen warten
biß zum ende dieser Action unnd fauffs allerfreundt-
lichsf mit ihnen, was ire notturft erfordern wil, re-
de; gdie da nichtg gnugsam bericht haben, mit guten,
sanfftmütigen wortenh, sonderlich aber die alten,
welche solche gedechtnuß nicht haben, wie die jun-
geni underweisen, die nachlessigen auß Gottes wort
ermahnen, die straffwürdigen mit errinnerung Gött-
lichs zorns vom bösen abweisen, die kleinmütigen
unnd bekümmerten hertzen mit verheissung Gött-

g-g Agende 1618: Die gar grobe, unwissende, so keinen
Grund [=gründliche Kenntnis] ihres Christenthumbs ha-
ben, wie auch die gantz ruchlose so lang abstellen, biß
Besserung gespürt wirt. Die uberigen aber, so dociles, ob
sie wohl nicht eben noch der Zeit.
h Agende 1618: worten auffs allerfreundlichst und einfäl-
tigst.
i Agende 1618: jungen privatim und absonderlich verho-
ren und.

155 Opus operatum, die Wirksamkeit der Gnadenmittel, sie-
he oben, S. 68 Anm. 24.
156 Sorglosen, Grimm, DWb 16, Sp. 727.
157 Androhung.
158 1Kor 11,29.

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