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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0292
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Nassau-Weilburg

befohlene Schäflein als die treuwe Hirten189 nicht
verlassen, sondern bey sie tretten, mit underweisen,
erinnern, vermahnen, Sacrament reichen allen mö-
glichen fleiß ankehren, daß sie wider alle anfechtung
der sünden, deß Teuffels unnd deß Todes im glauben
bestendig bleiben unnd also bey dem rechten, waren
trost erhalten werden, Dann obwol der mensch die
gantze zeit seines lebens das ende bedencken und
sich mit anhörung unnd betrachtung Göttlichs
worts, dergleichen mit stetigem gebrauch deß hoch-
würdigen Sacraments dermassen gefast machen
unnd verwaren sol, daß er in diesem letzten unnd
hefftigsten Kampff desto ritterlicher fechten unnd
den sieg behalten möge, Dieweil aber doch die
schwachheit groß, der Widersacher aber gewaltig
unnd listig ist, kompt man ihm billich mit den von
Gott verordeneten mittel[n], durch welche er sich
die gantze zeit seines lebens gegen seinen mechtigen
feindt, den Teuffel, hat auffhalten müssen, auch in
dieser eussersten unnd höchsten not zu hülff.
1. Derhalben sollen alle Kirchendiener darauff fleis-
sig warten und jederzeit willig und bereit sein, wann
| c2r | sie zu den krancken unnd sterbenden beruffen
werden, sie mit Gottes wort unnd uberreichung deß
heiligen Nachtmals zustercken und zu trösten. Dar-
zu hat man viele sprüch, beyde, im alten und Neu-
wen Testament, die uns fürhalten Gottes gnad unnd
barmhertzigkeit gegen alle bußfertige sünder unnd
die gewisse hoffnung der aufferstehung von den
Todten und deß ewigen lebens. aDiß sol er den
krancken mit grossem fleiß und ernst vorhalten und

a-a Fehlt Agende 1618.
189 Vgl. Apg 20,28; lPetr 5,2-4.

sie damit gegen alle zweiffelung an Gottes güte und
schrecken deß Teuffels und Tods bewarena.
2. Doch sol er die bescheidenheit190 brauchen, daß er
zuvor den krancken erinnere seines gewissens und,
da er etwas bey im befünde, das im insonderheit an-
gelegen were, sol ers fürnemlich dahin richten, daß
er gegen solche beschwerung gnugsam getröstet wer-
de. Und ob der kranck zuvor ein verächter Göttlichs
worts und der Sacramenten gewesen oder sonsten
mit groben und bekannten sünden behafftet und
darinn biß daher unbußfertigklich verharret were,
sol er im dieselbigen mit ernst fürhalten unnd inen
zu warer erkanntnuß und bekanntnuß solcher sün-
den und zu rechter reuw und leid darüber vermanen,
und ehe dann er die zeichen der waren buß bey im
sihet und spüret, ihm den trost, der in Gottes wort
und dem heiligen Abendmal den bußfertigen sün-
dern verordent ist, nicht mittheilen. Hiervon aber
kan man nicht wol ein gewisse form vorschreiben,
da muß ein jeder Pfarrherr die gelegenheit der Per-
sonen zubedencken unnd mit einem |c2v| jeden,
nachdem er inen affectionirt befinden wirt, zu hand-
len wissen, also das die halßstarrigen und wider-
spengstigen [!] mit verkündigung Göttlichs gesetzes
unnd zorns, doch auffs allerfüglichist unnd glimpff-
lichst, zu warer rew und leidt gebracht, die blö-
den191 und bekümmerten hertzen aber mit erklerung
deß heiligen, gnadenreichen Evangelii in iren gewis-
sen gestercket unnd getröstet werden. Wann aber
der krancke der Communion begeret, darzu mag
nachfolgendt formb gebrauchet werden.

190 Billiges Ermessen.
191 Schwachen, Verzagten.

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