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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0293
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32. Kirchenordnung 1574/1576

bBeicht oder bekantnuß der sündenb
Ich armer, betrübter mensch klag unnd bekenne für
Gott unnd allen Christgleubigen, daß ich nicht al-
lein in sünden entpfangen und geborn bin192, son-
dern auch die gantze zeit meines lebens viel gesün-
diget hab mit gedancken, mit worten und wercken,
insonderheit, daß ich meinen Gott von gantzem ge-
müht, von gantzer |c3r| Seel unnd allen meinen
krefften nicht geliebt hab, auch meinen nechsten
nicht wie mich selbß, wie mein Herr Gott mir sol-
ches gebotten und befohlen hat193, mit welchen sün-
den ich mich schüldig gebe aller meiner sünde unnd
ruffe zu Gott umb gnade mit hertzlicher bitt und

b-b Agende 1618: Lieber Freund in Christo, dieweil ihr zu
diesem mahl das gnadenreiche Abendmahl unsers lieben
Herren unnd Heylands Jesu Christi zu empfangen be-
geret, darinn er uns seinen wahrhafftigen Leib zu einer
Speiß und sein eigen Blut zu einem Tranck, den Glauben
damit zu stercken, gegeben hat, so sollet ihr billich mit
grossem Fleiß unnd inbrünstiger Andacht euch selbsten
(wie S. Paulus vermahnet [1Kor 11,28]) prüffen. So ihr
nun euch selbst prüffen und in ewer Gewissen gehen wer-
det, werdet ihr gewißlich nichts anders finden denn al-
lerley grewliche Sünde unnd den ewigen Todt, den wir
mit der Sünde verschuldet haben, Denn der Sold der
Sünden ist der Todt [Röm 6,23], darauß wir uns selbsten
in keinen Weg vermögen zu helffen.
Darumb hat sich unser lieber Herr Jesus Christus uber
uns erbarmet unnd ist umb unser Sünden willen Mensch
worden, auff daß er das Gesetz unnd allen Willen Gottes
für uns und uns zu gutem erfüllet, unnd den Todt und
alles, was wir mit unseren Sünden verschuldet hetten,
für uns und zu unserer Erledigung auff sich nehme und
bezahlete.
Und daß wir je das festiglich glaubeten unnd nicht Ur-
sach haben, daran zu zweiffeln, nahm er in dem Abend-
mahl das Brot, saget danck, brachs unnd sprach: Neh-
met hin und esset, das ist mein Leib, der für euch gege-
ben wirdt, (das ist) daß ich Mensch bin worden und al-
les, was ich leyde und thue, ist alles ewer eigen, für euch
unnd euch zu gut geschehen. Deß zu einem gewissen an-
zeigen und Zeugnus und daß ihr immer in mir bleibet
und lebet und ich in euch, gebe ich euch meinen Leib zur
Speise. Deßgleichen nam er auch den Kelch unnd sprach:
Nehmet hin und trincket alle darauß, das ist der Kelch
deß Newen Testaments in meinem Blut, das für euch
und für viel vergossen wirt zur Vergebung der Sünden; so

vertrauwen, daß er mir dieselbige von wegen deß
verdienstes seines lieben Sons, meines Herrn Jesu
Christi, erzeigen und mittheilen wolte.
Absolutio
So war ich lebe (spricht Gott durch den Propheten
Ezechiel194) hab ich nicht lust an dem todt deß sün-
ders, sondern ich wil, daß er sich bekehre und lebe.
Und der Herr Christus sagt195: Kompt her zu mir
alle, die ir mühselig unnd beladen seyt, ich wil euch
erquicken. Item: Also hat Gott die Welt geliebet,
daß er seinen einge-| c3v | bornen Sohn gab, daß alle,
die an ihn gleuben, nicht verloren werden, sondern

offt ihr das thut, solt ir mein darbey gedencken, (das ist)
weil ich mich ewer angenommen und ewere Sünden auff
mich geladen habe, wil ich mich selbst für die Sünde in
den Todt opffern, mein Blut vergiessen, euch Gnad unnd
Vergebung der Sünden erwerben unnd also ein new Te-
stament auffrichten, darinnen die Sünde vergeben unnd
ewig deren nicht mehr gedacht werden solle.
Deß zu einem gewissen anzeigen und Zeugnus und zur
Starcke und Fürderung meines Lebens in euch gib ich
euch mein Blut zu trincken. Wer nun also von diesem
Brot isset und von diesem Kelch trincket, auch diesen
Worten, die er von Christo höret, festiglich glaubet unnd
dieses Sacrament zu Erinnerung und Bestettigung seines
Glaubens empfehet, der bleibt in dem Herren Christo,
und Christus in ihme, unnd wirt ewiglich leben.
Also sollet auch nun ihr seiner darbey gedencken und
seinen Todt verkündigen, nemblich daß er für ewere Sün-
de auch gestorben und zu ewrer Rechtfertigung wider
aufferstanden, und ihme ewig Lob unnd Danck darumb
sagen. Ihr sollet auch ewer Creutz mit Gedult auff euch
nehmen unnd ihme nachfolgen unnd nach seinem Gebott
eweren Nachsten lieben, wie er uns geliebet hat, unnd
das nicht allein mit leeren Worten, sondern mit der That
unnd Warheit, wie Johannes lehret, ohn allen Betrug ge-
trewlich beweisen, Das helffe euch der Allmachtig Gott
und Vatter unsers Herrn Jesu Christi durch den Heyli-
gen Geist, Amen.
Nun demütiget euch unter die gewaltige Hand Gottes,
bekennet ihm ewere Sünde und sprecht mit mir also.

192 Vgl. Ps 51,7.
193 Lev 19,18.
194 Ez 33,11.
195 Mt 11,28.

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