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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0298
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Nassau-Weilburg

leihe ihm ein selige heimfarth zu dem ewigen leben, zu der versamlung aller ausserwehleten in Christo
schicke dein heilige Engel her, daß sie ihn beleiten Jhesu, unserem Herren, Amen.

Von besuchung, erinnerung und trost der Gefangenen | e4r

Daß der heilige Apostel Paulus deß Onesiphori
Hauß wünschet die Barmhertzigkeit Gottes da-
rumb, daß er ihn offt erquicket unnd sich seiner
Ketten nicht geschemet hatte, da er zu Rom gewe-
sen war210, damit bezeuget er, daß die Gefangenen
besuchen, ihnen handtreichung thun zur leibs not-
turfft unnd mit Geistlichem trost der seelen zu
steuwr kommen, sey ein gutes, Christliches werck,
das Gott von uns haben wölle und ein Christ dem
andern zu beweisen schüldig sey, wie dann auch die
Epistel an die Hebreer deß gedencket unnd den
Christen diese freundtschafft einander zuleisten
außtrücklich befihlet211: Gedencket der gebundenen
(spricht der Apostel) als die mitgebundene und de-
ren, die trübsal leiden, als die ir auch desselbigen
leibs glieder seidt. Wiewol aber dieses gesagt ist und
verstanden werden sol vornemlich von denen, so da
unschuldig umb deß bekandtnuß deß glaubens wil-
len gebunden und gefangen werden, jedoch wird es
nicht unbillich auff die brüder und schwestern ge-
zogen, welche der Teuffel ubereilet212 und dahin ver-
mocht und bewegt hat, daß sie die Gesetze und Ge-
botte der Oberkeit mit Diebstal, Brandt, Mordt,
Reuberey und dergleichen ubertretten unnd also die
Leibstraff verdienet unnd das leben verwircket ha-
ben, Denn mit denselbigen sol man auch ein Christ-
liches mitleiden tragen, sie zu warer Buß unnd Be-
kerung zu Gott anhalten | e4v | und mit bestendigem
Geistlichem trost, daß sie in irem elendt nicht an
Gottes gnade verzweiffeln, nottürfftigklich und
gnugsam versehen, in ansehens, daß, wo uns Gott
nicht erhelt und für solcher schweren ubertrettung
gnedigklich behütet, ist unser keiner, den der Teuf-
fel mit seiner list unnd betrug nicht auch zu einem
gleichen oder vieleicht in ein grössern unnd schwe-
rern fahl bringen möcht. Denn es hat der heilig Au-
210 2Tim 1,16-17.
211 Hebr 13,3.
212 Überfallen.

gustinus gantz wol unnd warhafftig gesagt213, Es sey
kein sündt jemals von einem menschen begangen,
welche ein ander mensch nicht auch thun kündt,
wenn Gott sein Handt von im abthete. Lieben Brü-
der, sagt Paulus214, so ein mensch mit einem fehle
ubereylet wirdt, so underweiset in mit sanfftmüti-
gem geist, die ihr geistlich seidt, unnd sihe auff dich
selbs, daß du nicht auch versuchet werdest. Einer
trage deß andern laßt, so werdet ir das Gesetz Chri-
sti erfüllen. Wo ein Christ an dem andern irrthumb
in Christlicher Lehr oder fehl und mangel an auff-
richtigem, Gottseligem leben vernimpt, sol er in
auffs allerfreundtlichst vermanen und dahin halten,
daß er darvon abstehe und auff den rechten weg sich
widerumb begebe. Und seind in sonderheit die vor-
steher und diener der Kirchen verpflichtet, daß sie
alle irrigen beyzeiten zu recht bringen, daß sie der
Teuffel nicht gentzlich in seine stricke fasse unnd
dermassen belade unnd uberschütte, daß sie darinn
steckenbleiben unnd entlich an Gottes gnaden ver-
zweiffeln müssen.
Ist man das nu schuldig zuthun auch bey denen,
welchen das leben durch die Polit- | f1r | tische Ge-
setze nicht abgeschnitten215 wirdt, sondern ist gut
hoffnung, Gott werde sie noch ein zeitlang alhie in
diesem leben erhalten, da er inen dennoch allerley
gute mittel und wege zur besserung geben kan, wie-
viel mehr sol es an denen geschehen, welche zum
Todt verurtheilet und also hinfürder aller gelegen-
heit zur Christlichen bekehrung entsetzet und be-
raubet werden sollen? Da wil mit grossem fleiß zu-
gesehen und dahin getrachtet sein, daß solche leut
zu Gott bekehret werden unnd in warem glauben
unnd vertrauwen auff den Sohn Gottes abscheiden,
auff daß sie nicht irer sünden unnd der schanden
halber, so sie umb der sünden willen leiden müssen,
213 Augustinus von Hippo, De correptione et gratia, 11,
33-44, PL 44, Sp. 936-943.
214 Gal 6,1-2.
215 Genommen.

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