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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0299
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32. Kirchenordnung 1574/1576

in verzweiffelung fallen unnd zu der zeitlichen
schand unnd todt auch die ewige schandt und todt
ohn ende unnd auffhorens tragen müssen. Es ist
auch kein busse unnd bekehrung zu Gott zu spat
unnd langsam, wenn sie nur geschicht in diesem le-
ben. Unnd ist kein sünde so groß, die den bußferti-
gen nicht möge vergeben werden, wie Gott imt Eze-
chiel am 33. [12] sagt: Wenn ein Gottloser fromm
wirt, so sol es im nicht schaden, daß der Gottloß
gewesen ist. Item: So war ich lebe, spricht Gott am
selbigen ort, Ich habe nicht gefallen am todt deß
Gottlosen, sondern daß sich der Gottlose bekehre
und lebe216. Unnd der heilig Paulus spricht, Gottes
gnad sey grösser denn alle sünde, Roman. 5 [20-21],
sie wil aber in diesem leben erkennt, gesucht und
geglaubt sein, und ob man gleich sein lebenlang
nicht viel nach Gott gefraget hette, darfür doch ein
jeder Christ zum fleissig-| f1v | sten sich hüten unnd
versehen sol (denn Gott ist ein gerechter und ernster
Richter und leßt sich nicht spotten), Wenn man
doch nur am allerletzten zu Gott mit rechtem glau-
ben seufftzen unnd schreyen kan, sol man an seiner
gnad unnd barmhertzigkeit nicht verzagen, Wie
wiru deß ein herrlich Exempel haben an dem Mör-
der, so mit dem Herrn Christo gecreutziget wardt,
Dennv der Herr, da er in bath, er solt seiner ge-
dencken, wenn er in sein Reich keme, verheißt, er
solle denselbigen tag noch bey ime im Paradeiß
sein217.
Derhalben sol man diejenigen, so den leiblichen
todt verdienet haben, nicht darfür halten, als ob sie
derhalben auch von Gott verstossen unnd deß ewi-
gen todts schuldig weren, und derwegen sich irer ab-
thun und ohn Christliche erinnerung unnd trost hin-
fahren lassen, sondern sol gute hoffnung haben, ob
sie der Teuffel gleich umb den leib unnd dieses zeit-
lich leben hinderlistigklich bracht hat, so werde inen

t Fehlt Agende 1618.
u Im Text: mir.
v KO/Agende 1609, Agende 1618: Dem.
w Im Druck: treuw. Korrigiert nach KO/Agende 1609,
Agende 1618.
x KO/Agende 1609, Agende 1618: subtilitet.

Gott doch die Seele erhalten. Unnd sollen derhalben
die Diener Göttliches worts allen fleiß anwenden,
daß sie zu erkenntnuß irer sünden unnd Göttliches
zorns uber die sünde bracht und im glauben an den
Herrn Christum gesterckt werden unnd also ein
rechten, warhafftigen trost haben nicht allein wider
alle schande unnd schmertzen deß zeitlichen tods,
sonder auch wider die sünde, den Teuffel, die Helle
und Todt und Verdamnuß. Unnd hierzu sol ge-
braucht werden diese oder dergleichen underschiedt-
liche formb. | f2r |
Zum allerersten mag man fragen, warumb sie da ge-
fangen ligen. Da wirdt man denn an der antwort
baldt mercken, wie es umb ihr hertz stehe. Etliche
werden schweigen, nichts bekennen oder anheben,
sich zu entschuldigen, wie er unschuldig darein kom-
me etc. Etliche werden bekennen, aber doch mit ei-
nem trotz. Etliche werden also bekennen, daß man
an den worten unnd geberden sehen muß, daß sie
sehr bekümmert, vol leids und jamers seindt, In
summa, es laß sich einer hie sehen, wie er wölle, so
kan man darauß ursach nemmen, mit ihm zu hand-
len.
Alle handlung aber, er antwort, wie er wölle,
muß darauff bestehen: Ist er blöde218 und forchtsam,
daß man ihn mit Gottes güte und barmhertzigkeit
tröste, Ist er verwegen unnd trotzig oder ungedultig,
daß man ihm die sünde wol einreibe219 und ein
schrecken in in jage, daß er sich erkenne und uber
seiner mißhandlung reuww und leid lerne haben. Wie
nun solche zwey stück anzugreiffen unnd zu handlen
seindt, wirdt hie einfeltig nacheinander angezeigt,
denn mit solchen leuten unnd ahn solchem orth wil
sich scharpffe kunst und subtiligkeitx nicht leiden.
I f2v I

216 Ez 33,11.
217 Lk 23,42-43.
218 Verzagt.
219 Vorhalte, Grimm, DWb 3, Sp. 248.

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