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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0304
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Nassau-Weilburg

Gott gerne leistest, weil es dir doch ohndeß leid ist,
das du in deinem leben so offt wider Gott gehandelt
unnd ihm so wenig gefolget hast.
Solcher gehorsam, weil es ein recht gutes werck
ist, wirds auch sein frucht mit sich bringen, Nem-
lich, daß, gleich wie du andere durch deine sünde
zuvor geergert hast, also jetzundt durch dein ster-
ben wider bessern wirst, welche in dergleichen sünde
auch fallen möchten, nuhn aber sich an dein Exem-
pel stossen, Gott förchten und vom bösen ablassen
werden. Darumb, weil solche stücke alle an deinem
todt hangen, Ein Christlich erkanntnus der sünden,
Bekanntnus deß glaubens, Ein williger gehorsam,
Ein grosse frucht, so auß solchem glauben her-
wechßt, so lasse dir die schande nicht so nahend zu
hertzen gehen, bey welcher schand so ein herrlicher
Christenschmuck stehet.
Achtet die Welt unnd du solchs schmehlich unnd
unehrlich, So achtet dargegen Gott und alle seine
Engel solchen gehorsam, bekandtnus und besserung
ehrlich unnd lö[b]lich. Darumb sey getrost, die
schand sol sich in einem augenblick verwandeln;
Wenn der Cörper in unehren daj am Galgen hangt
oder in der Erden ligt, werden die Engel Gottes dein
seel in aller ehren Gott entgegentragen, Wie der
Herr Christus sagt von dem armen Lazaro228. Sol-
chen trost halt fest unnd gewiß unnd laß todt,
schmach, schandt, | h1r | Welt bleiben wie es bleib.
Du aber lobe und dancke Gott, erstlich für solche
gnade, daß er dich zu solchem glauben und erkannt-
nus beruffen hat, Darnach bleib fest an solcher hoff-
nung, welche durch den Herrn Christum dir und uns
allen verdienet ist. Dein glaub an Christum wirdt
dir nicht liegenk. Wie du jetz hie gleubest, so sol dir
geschehen dort in jener welt. Befehl deine Seel dei-
nem treuwen Hirten Christo Jhesu unnd fahr hin
mit frieden, Amen.
Im fal, daß der Gefangen nicht verzeihen wolt
Wenn einer dermassen wider seinen gegentheil erbit-
tert ist, daß er nicht vergeben noch vergessen wil,
j Fehlt KO/Agende 1609, Agende 1618.
k Agende 1618: lugen.
228 Lk 16,19-31.

unnd begert dennoch deß heiligen Sacraments, da
muß man also mit ihm handeln:
Erstlich in erinnern, ob er auch begere, daß im
Gott genedig sein und vergeben wölle, was er sein
lebelang ubels gethan hat. Antwortet er auff dise
frage, wie freche, wahnsinnige oder halsstörige leut
bißweilen thun, Es gelte | h1v | ihm gleich, Gott sey
gnedig oder ungnedig, Da sol man ihn mit ernst, wie
oben auch gemeldet, erinnern, Er möge bedencken,
wie es seiner Seel in ewigkeit gehen werde. Aber das
Sacrament sol man im in keinen weg reichen,
weil229 er also gesinnet ist.
Wo er aber antworttet, Er begere oder bedürffe,
daß im Gott gnedig sey, Da ist not, daß man in
erinnere, wie Gott gnad unnd vergebung uns ver-
heissen habe, Nemlich wie in dem Vatter unser ste-
het, daß er uns heißt beten: Vergib uns unsere
schuld, Und heißt uns, von hertzen uns deß erbie-
ten, daß wir vergeben wöllen unsern schuldi-
gern230. Da dencke du (sprich), wie du begerest: Ist
dir ernst, daß man dir vergebe, so hörst du hie, daß
du auch vergeben solt. Thust du es nicht, so ist
nicht allein solch Gebet kein Gebet, sondern es ist
vergebung der sünden kurtzumb abgeschlagen, und
du thust wissentlich wider den willen und befehl
Christi, kanst derhalben dich seiner gnade und hülff
nicht trösten.
Nun bedencke aber, wie ein ungleicher
zeug231 es ist, wenn du vergibest, daß dir Gott auch
wil vergeben. Christus gibt ein Gleichnuß von einem
Knechte, der seinem Herrn zehentausend pfundt
schuldig war, Und sagt, die schuldt, so wir gegen im
haben, sey ebendieselbige Summa, die wir nimmer-
mehr bezalen mögen, Widerumb, das unser Nech-
ster uns schuldig sey, das seind hundert Groschen,
das ist ein sehr geringes232. | h2r |
Wer wolt nun nicht gern einen heller nachlassen,
das man ihm tausent gülden schenckte? Nun sagt
aber Christus, wie es dem Knecht mit den zehentau-
sent pfunden gangen hab, der seinem Mitknecht nit
vergeben wolte, Also sol es uns auch gehen, wenn
wir nicht vergeben unserm Nechsten, Nemlich daß
229 Während, Grimm, DWb 28, Sp. 776.
230 Mt 6,12.
231 Sache, Ding, Grimm, DWb 31, Sp. 825f.
232 Mt 18,21-35.

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