Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0305
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
32. Kirchenordnung 1574/1576

uns Gott auch nicht wölle vergeben. Da wirts denn
für Gottes gericht heissen: Bindet im Hende und
Füsse und werffet ihn in die eussersten finsternus.
Wiltu nun deß urtheils gewarten, das steht bey dir,
anders wirts nicht. Christus hats selbst gepredigt
und uns zur warnung gesagt, Ja, Matthei am 5.
[23-25] machet er diese vergebung und versühnung
so nötig, daß er sprichet, Gott wöll im kein andacht,
kein Gottesdienst, weder betten noch anders gefal-
len lassen, weil233 wir in solchem widerwillen und
unbarmhertzigkeit stehen. Darumb vermanet er am
andern ort so fleissig und heist, man solt nicht ein
nacht schlaffen in solchem widerwillen234. Da ge-
dencke du nun, was für sünde es allgereit sey, das du
solchen zorn so lange zeit getragen hast und noch
nicht gedenckst, fahren zu lassen. Solchs gedenck,
lieber freundt, was es für ein schade deiner seel sey,
wenn du für Gottes Gericht nicht solst gnad, son-
dern ungenad finden, unnd Gott eben mit deinen
sünden thun wil, wie du thust mit den sünden deines
Nechsten wider dich; Unnd zwar, hastu ein1 ver-
nunfft, so sihe nur, was mrichtest du mit außm, wenn
du nicht vergeben wilt? | h2v | Du ligest hie in Fes-
sernn, in zweyen tagen ist deines lebens nimmer, was
kan dein zorn deinen feinden schaden, der doch dei-
ner Seel unnd seligkeit so trefflich schedlich ist?
Darumb besinne dich: Es gilt dir, mir aber gilt es
nicht, sonder ich muß auch, wil ich gnade haben,
allen den gnedig sein unnd vergeben, so ungnad

unnd zorn umb mich verdienet haben. Wilt du es
aber nicht thun und so beharren, so kan ich dir das
Sacrament nicht mittheilen, welchs uns der höhe-
sten liebe unnd trew ermanet, so uns Christus be-
wiesen hat uns zum Exempel, daß wir auch unsern
nechsten, ja, den feinden, dienen, vergeben und sie
liebhaben sollen etc.
Wo er sich noch nicht wolte erweichen lassen, sol
man in fragen: Lieber freundt, ich sehe, daß es in
deinem hertzen nicht ist, daß du gegen deinem wi-
dersacher könnest ein freundtlich hertz haben. Sag
mir aber, möchtest du dirs nicht wünschen, daß du
es thun und ein solches hertz bekommen möchtest
oder were es dir ein dienst, so man Gott für dich
bete, daß er dir ein solch hertz unnd gnade verliehe,
daß dein hertz gegen deinen feinden stünde, wie deß
Herrn Christi ist gestanden gegen seinen feinden,
wie er denn am Creutz betet für die, so ihn Creu-
tzigten?235
Wenn er spricht, ja, er wolte, daß er auch also
wer, aber er befinde leider, daß er anders sey, da sol
man ihn | h3r | selbs zum beten vermanen, daß er ein
solch hertz von Gott begere unnd alsdenn auff die
gnade Gottes, welche Gott nimands wil versagen,
ihm das heilig Sacrament geben unnd hoffen, Gott
werde inen erleuchten.
Auff diese weise mag man einfeltig in solchen
fahl mit den Armen handeln.

Von Christlicher Begrebnuß

Die gestorbene Menschen seindt zu allen zeiten bey
allen vernünfftigen Völckern, fürnemlich aber bey
dem Volck Gottes und bey allen rechten Christen
unnd gleubigen, ehrlich zur erden bestattet worden,
wie das der Kirchen- unnd andere Historien, vorauß
das alte und neuwe Testament, gnugsam bezeugen.
Derhalben wöllen wir auch solche gute Christliche
gewonheit der ehrlichen begrebnuß unserer Eltern,

l Fehlt KO/Agende 1609, Agende 1618.
KO/Agende 1609, Agende 1618: du mit außrichtest.
n Druckfehler; Agende 1618: Fesseln.

kinder und freunde behalten, und sol die auff folgen-
de weise angestellet werden.
1. Wan ein gleubiger auß diesem leben abgeschei-
den ist, sol dem Pfarrherr oder Caplan solchs bey
zeiten vermeldet und er dem verstorbenen zur
Christlichen | h3v | begrebnuß zu dienen gebetten
werden, damit er sich innhalten23b und zur gewöhn-

233 Während, so lange, Grimm, DWb 28, Sp. 776.
234 Vgl. Eph 4,26.
235 Lk 23,34.
236 Bereit halten, Grimm, DWb 10, Sp. 2126.

287
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften