Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts

32. Kirchenordnung 1574/1576

und vorgesetzter ordentlicher Obrigkeit diesen ge-
genwertigen Kirchendiener, daß sie in erkennen und
halten für iren Pfarrherr und Seelsorger, in lieb
unnd wehrt haben, umb deß wercks und seiner
mühe willen friedsam mit im seyn, im folgen unnd
gehorchen und sich allzeit erinnern, daß er wachen
muß uber irev Seelen, als der darfür rechenschafft
geben sol, auff daß ers mit freuden thu und nicht
mit seufftzen, haltet euch also gegeneinander, ein
jeder an seinem ort, wie das Gott in seinem Wort
befohlen hat, wie es Christlichen, treuwen Pfarr-
herrn unnd Pfarrkindern gebüret unnd wol anste-
het, auff das ir für dem Richterstul unsers Herren
Jhesu Christi, da wir alle erscheinen müssen, wol
bestehen und die unverwelckliche Kron der Eh-

ren253 empfahen möget, Welches uns allen gnediglich
geben und verleihen wolt Gott, der ewige Vatter un-
sers Herrn Jhesu Christi, umb seines einigen gelieb-
ten Sons, unsers Mittlers und Fürbitters willen, wel-
cher mit dem Vatter und 14r | heyligen Geist lebet
unnd regieret, ein ewiger Gott, dem sey Lob, Ehr
und Preiß in alle ewigkeit, Amen.
Der Herr gebe euch seinen Segen, daß ir viel
Frucht bringet, Amen.
Zum Beschluß sol die Gemeine singen: Te Deum
laudamus, teutsch oder lateinisch254, wo Schulen
vorhanden seyn, Oder: Danck sagen wir alle Gott,
unserm Herrn Christo255 etc. Oder einen andern der-
gleichen Lobgesang. 14v |

Form, einen Pfarrherr oder Kirchendiener eynzuführen und im die Gemeine zu Commendiren, so allbereit
zuvor Ordiniert und ein zeitlang im Predigampt gewesen ist

Wann aber einer hiebevor ordinirt und ein zeitlang
der kirchen Gottes gedienet hette, wer aber auß ge-
wissen bewegklichen ursachen an einen andern orth,
der gemeine Gottes vorzustehen, beruffen, dieser sol
auff folgende weise eingeführet unnd der gemeine
Commendirt unnd fürgestellt werden:
1. Erstlich sol der Superintendens oder wem er es
befehlen wirdt oder auch der neuwe Pfarrherr selbs
vom Ampt der Prediger und Zuhörer oder sonsten
einem hierzu bequemen argumento ein Predigt thun
und zu ende derselbigen die gemeine under andern
notturfften der Christlichen kirchen auch für den
neuwen Pastor oder Caplan, daß im Gott, sein
Ampt treulich zuverrichten, seine gnade geben wolt,
mit sonderm ernst und fleiß zu bitten, vermanen.
2. Nach gehaltener Predigt sol gesungen werden:
Veni sancte spiritus, teutsch oderw Latinisch256,
unnd söllen | m1r | underdeß der Superintendensx und
der neuwe Pfarrherr oder Caplan für den Altar tret-
v KO/Agende 1609, Agende 1618: ewre.
w Agende 1618: oder, wo Schulen seyn, da man den Figu-
ralgesang haben kan.
x Agende 1618: Superintendens oder inspector.
y Fehlt Agende 1618.
253 Vgl. 1Petr 5,4.

ten. Und soly der Superintendens nach vollendentem
Gesang ein kurtze vermanung thun zu dem Volck
und darinn anzeigen, wie daß dieser zu ihrem Pfarr-
herr oder Caplan erwehlet, tugenlich erkandt und
ordentlich darzu beruffen sey, und man sey der hoff-
nung und zuversicht, er werde die gemeine mit ver-
kündigung Göttlichs worts und dispensation der
hochwürdigen Sacramenten treulich und fleissig ver-
sehen, derwegen der gemeine gebüren wolt, im in
sachen, irer Seelen heil belangend, gebürlich obe-
dientz und gehorsam zuleisten, wie er dann auch
selbst sich verpflichtet und verheissen hab, nach an-
weisung Göttlichs worts alles, was zu ihrer Seelen
seligkeit notwendig, dienlich unnd beförderlich sein
mag, mit grossem ernst unnd fleiß fürzunemen und
zuverrichten etc. Darauff sol er sie vermanen zum
Gebet unnd der zuvor gesetzten Gebet eines ihnen
vorsprechen.
Weiter sol er sagen: Höret das heilige Evangeli-
on, welches uns beschreibet der heilige Evangelist
254 Luther: Herr Gott, dich loben wir, AWA 4, Nr. 31; vgl.
Wackernagel, Kirchenlied I, S. 24.
255 Dank sagen wir alle, Wackernagel, Kirchenlied III,
S. 550.
256 Luther: Komm, Heiliger Geist, Herre Gott, AWA 4,
Nr. 15; vgl. Wackernagel, Kirchenlied I, S. 177.

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