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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0382
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Nassau-Wiesbaden

39. Predigermandata
9. September 1589
Graf Johann Ludwigs1 zu Naßau Wißbaden verordnung, wie die prediger in lehr und leben sich verhalten
sollen, de anno 1589 |

Wir, Johann Ludwig, grave zu Nassaw, herr zu Wiß-
baden unnd zu Itzstein etc., embieten den wurdigen
unnd andechtigen, unnsern lieben getrewen, allen
unnd jeden unnsern pfarrhern unnd kirchendienern
inn unsern beeden graf- unnd herrschafften Wißba-
den unnd Itzstein unnsere gnad unnd fügen euch zu
wißen.
Nachdem wir zu eingang durch sonderliche ver-
sehung unnd gnedige schickung deß allmechtigen
unnserer regierung hochbewogen unnd zu hertzen
geführet, daß die ewige güter fur allen andern ver-
genglichen billich zu suchen unnd inn alle wege furt-
zusetzen sein, wie dann der warhafftige mundt Got-
tes selbst sagt: Suchet vor ersten unnd vor allen an-
dern dingen das reich Gottes, so soll euch das andere
als daß zeitliche, auch nach dem das ewige, durch
die gnad unnd crafft Gottes alles reichlich zufallen
etc.,2 welches furwar jedermann nicht allein christ-
lich unnd hertzlich bedencken, sondern dem auch
inn alle wege endtlich nachvolgen sollten, wann
dann wir aus täglicher erfahrung zwar nicht ohne
hohe beschwerung unnsers gemuths erlehrrnen mü-
ßen unnd befunden, wie gantz beschwerlich inn der
lehr vonn vilen articuln unnserer wahren christ-
lichen religion bey diesen unnsern schwebenden3
und letzsten zeiten allerhandt gefährliche unnd
vhast4 ergerliche disputationes, fragen unnd ge-
zenck5 zu nicht geringer verwirrung unnd betrubung
viler frommer, christlicher hertzen unnd gewißen er-
regt werden, | darumb hoch vonnöthen, daß ein jeder

a Textvorlage (Handschrift): HHStaatsA Wiesbaden Abt.
133, Nr. Xa 2.
1 Johann Ludwig I. von Nassau-Wiesbaden (1567-1596),
siehe oben, S. 50.
2 Mt 6,33; Lk 12,31.
3 Unsicheren, Grimm, DWb 15, Sp. 2378f.

christ desto wackrer sey unnd seiner seelen heil
unnd seeligkeit wahrneme, sonderlich aber einer je-
der oberkeiten, sie sey geistlich.es oder weltlichs
standts, als denen Gott der herr die tafeln seines
göttlichen gesetzes bevolhen hat, sich ires von Gott
auferlegten ambts gebrauchen unnd hierinn allent-
halben ein vleißiges uffmercken unnd ernstliches
einsehen zuhaben, daß inn ihren landen unnd gebie-
ten das heylsame wort Gottes rein unnd onver-
fälscht ohne uffruhr unnd ergernus zu erhaltung
Gottes lob, fried unnd einigkeit geprediget werde,
uff daß der sohn Gottes, Jesus Christus, unnd seine
wolthaten recht erkandt unnd also Gott recht ange-
ruffen, gepreiset unnd viel menschen seelig werden
etc.
Demnach wir ermeßen unnd erwogen, daß solche
newe spitzfinn[d]ige fragen, onnötige disputationes
unnd schulgezänck6, so vonn etlichen mit großem
ärgernus viler gottseeliger hertzen aufbracht, damit
billich menniglichen, unnd bevorab deß einfältigen
leyens unnd völcklins, zuverschonen unnd die kei-
neswegs uff die predigtstüel gehörig etc., nicht die
geringste ursachen sey, der biß dahero vorgangenen
embörungen deß gemeinen manns, darzu alles
onfriedens, so sich ein lange zeit hero inn teutscher
nation erhelltt. also, wo mit zeittigerm, dapfferem
rhat nit darein gesehen, daß noch großere aufruhr
unnd empörungen zwischen hohen unnd niedern
ständten zubesorgen.

4 Sehr.
5 Anspielung auf die in den 1570er Jahren zwischen Phil-
ippisten und Gnesiolutheranern ausgetragene Auseinan-
dersetzung um die Wittenberger Christologie und
Abendmahlslehre, vgl. Dingel, Debatte; Hund, Das
Wort.
6 Lehrstreitigkeiten.

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