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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0392
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Hanau-Münzenberg

Exkurs: Zu den in Hanau-Münzenberg verwendeten Kirchenordnungen (1543-1609)
Aus der frühen Zeit der Reformationseinführung in Hanau-Münzenberg ist keine Kirchenordnung überlie-
fert. Es gibt jedoch Hinweise auf die in den Pfarreien verwendeten Agenden. So ist bekannt, dass der
Prediger Philipp Neunheller 1543 in Anlehnung an Zwinglis Lehre eine Kirchenordnung und einen Kate-
chismus verfasste, die von der Vormundschaftsregierung gebilligt wurden.26 Beide Stücke sind nicht über-
liefert. Die Kirchenordnung trug den Titel „Agenda. Das ist Kirchenordnung, wie es zu Hanawe gehalten
und im Brauch ist“. Dies geht aus den Aufzeichnungen hervor, die Friedrich Brammerell 1782 anfertigte.
Ihm lag das handschriftliche Exemplar dieser Ordnung vor, das Neunhellers Kaplan Bernhard Melmann
besessen hatte.2' Brammerell beschreibt in seiner Hanau-Münzenberger Kirchengeschichte Umfang und
Inhalt dieser um 1550 gebräuchlichen Ordnung:28
Der Gottesdienst wurde in der Stadt Hanau alle Tage und die Communion alle 4 Wochen gehalten. Die beständige
öffentliche Gottesdienste bestunden aus Sonntagspredigten, Danksagungen, Bättagen und Wochenpredigten. Die
Danksagungen geschahen alle Tage in der Woche. Die Bättage waren auf den Montag und Mittwochen. Die
Wochenpredigten wurden Dienstags und Donnerstags gehalten. Den Sonntag wurde zweymal geprediget und in
der Nachmittagspredigt ein Stück des Catechismus abgehandelt. Nach geendigter Predigt wurde die Catechisation
vorgenommen. Die Kinder mußten vor den Altar treten und dasjenige, was in der Predigt abgehandelt worden,
stückweise in Frag und Antwort, nach Anleitung des Catechismus, hersagen.
Die Taufe und Communion wurden ohne weitere sonderbare Ceremonien verrichtet. Bey der Taufe wurde kein
Exorcismus exerciret. [...]29 Zu Hanau hatte man zu derselben Zeit gewisse Tauftage, als: den Sonntag, Dienstag
und Donnerstag, an welchen die Taufe nach gehaltener Predigt vorgenommen wurde. Doch pflegte man, wann es
die Noth erforderte, auch auf die übrigen Tage zu taufen.
Was die Communion betrifft, so wurde solche in folgender Ordnung vorgenommen: Der Prediger verlase zuvor
die Ermahnung an die Communicanten, hierauf die Bekenntniß der Sünden mit dem Gebät und dann die
Absolution. Hernach sang der Schulmeister mit den Schülern das Gebät des Herrn. Nach Endigung dieses
Gesangs verlase der Prediger die Einsetzung des heiligen Abendmals, worauf die Communicanten herzutraten,
und zwar erstlich die Mannspersonen, hernach die Weiber und dann die ledige Weibspersonen. Die Communion
selbst wurde mit einem bloßen Gesang, ohne besondere Consecration Brods und Weins wie auch ohne Meßgewand
und Lichter gehalten.
Bey Ausspendung des heiligen Abendmals brauchte der Prediger nachfolgende Worte und zwar
a) Bey Darreichung des Brods: Der Leib unsers Herrn Jesu Christi, für dich in Tod gegeben, stärke und
bewahre dich im Glauben zum ewigen Leben.
b) Bey Darreichung des Kelchs: Das Blut unsers lieben Herrn Jesu Christi für deine Sünde vergossen, stärke
und bewahre dich in rechtem Glauben zum ewigen Leben [...].
Die Trauung ehelich verlobter Personen wurde sowohl des Sonntags nach der Nachmittagspredigt, als auch
auf die andere Tage nach gehaltener Predigt verrichtet. Die vorhergehende Proclamation der Verlobten geschahe
nur einmal, entweder den Sonntag oder auf einen andern Tag nach der Predigt.

26 Henss, Verhältnisse, S. 56f.; Hartmann, Steinau I,
S. 399; vgl. Dietrich, Landes-Verfaßung, S. 141;
Kurz, Zeit der Reformation, S. 33; Gbiorczyk, Ent-
wicklung, S. 59.
27 Dies geht aus der Notiz sum Bernhardi Melmanni auf
dem Titelblatt hervor, Brammerell, Kirchenrefor-

mation, S. 33. Vgl. Kurz, Zeit der Reformation, S. 33.
Zu Bernhard Melmann siehe Aschkewitz, Pfarrerge-
schichte, S. 18.
28 Brammerell, Kirchenreformation, S. 33-38.
29 Hier folgt die Darstellung der Verhältnisse in Sachsen,

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