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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0402
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Hanau-Münzenberg

verfaste almusenordnung, die er nun mit geringen enderungen versehen und in offenen truck gebracht habe. Im
Staatsarchiv Marburg ist zwar der Entwurf einer Ordnung mit dem Titel „Almusen ordenung zu Hanaw
und wo solche mocht hergenommen werden, Anno 46“ überliefert, diese ist jedoch wesentlich kürzer und
weicht in Inhalt und Wortlaut erheblich von der vorliegenden Ordnung ab. Es kann sich bei dem Hinweis
auf eine ältere Ordnung also nicht um diesen Entwurf handeln, vielmehr muss eine weitere Almosenordnung
existiert haben, die heute verloren ist. Auch ein Druck der Hanau-Münzenberger Almosenordnung, wie ihn
Philipp Ludwig II. in der Vorrede ankündigte, ist nicht überliefert.
Die Ordnung führt acht Kapitel aus, wie die Almosenpfleger die Gaben einzusammeln und auszuteilen
hatten, welchen Bedürftigen sie gereicht und welchen sie verweigert werden sollten, auf welche Weise Spi-
täler und Siechenhäuser in die Armenfürsorge eingebunden waren, wie mit fremden Armen zu verfahren sei
und wie die Rechnungslegung erfolgen sollte.81
Die Hanau-Münzenberger Almosenordnung ist nicht datiert. Im Text ist jedoch die Zuchtordnung vom
12. Januar 1599 (Nr. 7) genannt. Die Almosenordnung muss also jünger als diese sein. In der Ordnung sind
außerdem die bestehenden Pfarrklassen erwähnt, die erst in der Ordnung der Landesverwaltung (Nr. 10)
vom 3. Juli 1600 angeordnet worden waren. Somit kann die Almosenordnung erst nach diesem Datum
entstanden sein.

4. Die Kirchenordnungen des Jahres 1609
Nach seinem selbständigen Regierungsantritt 1595 hatte Philipp Ludwig II. anhand der Kurpfälzer Kir-
chenordnung und des Heidelberger Katechismus auch das reformierte Bekenntnis in der Grafschaft einge-
führt und mit Hilfe eigener Ordnungen konsolidiert. Im Jahre 1609 leitete er eine großangelegte Verwal-
tungsreform ein. Zur Unterstützung in kirchlichen Angelegenheiten bat er den Pfälzer Kurfürst Fried-
rich IV. um Entsendung des Kirchenratsvorsitzenden Ottos von Grünrade,82 und des Hofpredigers Abra-
ham Scultetus’.83 Mit Scultetus und von Grünrade kamen zwei prominente Persönlichkeiten nach Hanau,
die im Oktober/November gemeinsam mit Philipp Ludwig II. und den Mitgliedern des Hanau-Münzen-
berger Kirchenrats über die Grundzüge der kirchlichen Neuordnung berieten,84 wobei sie die kurpfälzischen
Kirchenordnungen der 1590er Jahre in die Diskussion brachten.
Die Mehrzahl der für unsere Edition verwendeten Textvorlagen aus der Regierungszeit Philipp Lud-
wigs II. sind zeitgenössische Abschriften des Hanau-Münzenberger Rats Otto Schultheß, die in der Staats-
und Universitätsbibliothek Göttingen verwahrt werden. In dem hier überlieferten Konvolut finden sich
auch Ordnungen anderer Territorien - vornehmlich der Kurpfalz85 - die als Vorlagen bei der Erarbeitung
der Hanau-Münzenberger Regelwerke herangezogen worden waren.

81 Vgl. Gbiorczyk, Entwicklung, S. 71f.
82 Zu Otto von Grünrade (1545-1613) siehe oben, S. 35
Anm. 135.
83 Zu Abraham Scultetus (1566-1625) siehe oben, S. 376
Anm. 41.
84 Cuno, Philipp Ludwig II., S. 67f.; Heppe, Kirchenge-
schichte 2, S. 238; Müller-Ludolph, Philipp Ludwig
II., S. 209f.; Dahmen, Nach Gottes Wort, S. 10. Die
Synodalprotokolle sind überliefert in SUB Göttingen 2°
Cod. Ms. Jurid. 8, Bd. II, fol. 1-58.
85 Bestallung eines Inspektors 1587 (Sehling, EKO XIV,

S. 534-541); Ankündigung der Visitation 1593 (Seh-
ling, EKO XIX, S. 797-803); Visitationsabschied 1593
(ebd., S. 812-821); Visitationsbericht 1594 (ebd.,
S. 842-853); Generalvisitationsinstruktion 1594 (ebd.,
S. 822-824); Mandat zur Institution von 1595 (ebd.,
S. 865-868); Mandat zur Institution und Sonntagsheili-
gung 1595 (ebd., S. 855-864); Visitationsinstruktion für
die Nebenvisitatoren 1597 (ebd., S. 876-888); Presbyter-
ordnung ca. 1601 (ebd., S. 593-603); Mandat zur Visi-
tation 1608 (ebd., S. 961f.).

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