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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0430
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Hanau-Münzenberg

Gottes inn denn geoffenbarten schriefftenn der hl.
prophetenn, apostellnn unndt evangelisten begrief-
fenn, nicht allein ein crafft Gottes, seelig zuemachen
alle, die daran glaubenn7, sondern auch laut der
ohngezweyvelten zuesage Gottes8 neben der ewig-
wehrenden seeligkeitt mit sich bringt den zeitlichen
seegen, alß solte je pillich einem jeden, deme sein
ewiges heill unndt wolfarth angelegenn, auch die
gnadt unndt huldt Gottes begeeret, daßelbig von
hertzen lieb unndt angenehm seinn.
Unndt aber leider die tägliche erfahrung bezeu-
get, daß viell irer seeligkeitt wenig inn acht nehmen,
sondern haßenn das gutte unndt lieben das böeße,
ist hiermit unnser ernster bevelch undt wöllenn, daß
ein jeder zum gehöre göttlichen worts vleißig kom-
menn unndt das gepredigte wortt nicht auß der acht
schlagenn soll. Würde aber jemandts vorsetzlicher
weiße das gepredigte wortt Gottes versaumenn, ver-
achtenn unndt an sohn- undt feyr-| 93v | tagenn wie
dann auch auff die monatliche beedttage under der
predigt auf der gaßenn spatzirenn, fur den heußernn
müeßig sietzenn oder inn denn wihrtßhäußernn, auff
den spiellplätzenn unndt -bänckenn, auch veldt-
güetternn, sich betrettenn9 unndt finnden laßenn,
im gleichen auf den sohn- unndt feyrtagenn veldtar-
beit argerlichen10 verrichtenn unndt andern weltli-
chen geschefftenn one erlaubnuß nachgehenn, item
ire kinnder unndt gesinnde one erhebliche noth-
wenndige ursachenn auß der kinnder- unndt ca-
thechißmilehr entziehenn, daheimb behalten, der-
oder dieselben sollen von unnsern jedes orts beamp-
tenn, schultheißen oder zentgrevenn erstlich an
geldt, wie solches darauf gesetzt unndt denn armenn
demnechst außgetheilet werden soll, auch, wo der-
selbe sich demnechst11 gleichwol ohngehorsamb
unndt halßtarig erzeigenn würde, härter unndt,
nach beschaffenheit der verbrechung, auch mit dem
gefengknuß gestrafft werdenn.
Damit dann unnsere underthanenn sich umb so-
viell desto lieber undt williger bey dem gepredigten
wortt Gottes finden laßen mögenn, alß bevehlenn
7 Röm 1,16; vgl. 1Kor 1,18.21.24.
8 Lk 8,15; 11,28.
9 Aufgreifen.
10 Anstößiger Weise.

wir unnsern pastorn, kirchendienernn undt predi-
gernn hiemit inn gnaden, daß sie ir leben undt leh-
ren nach Gottes wortt möglichen vleiß reguli-| 94r |
ren, sich inn irem predigen der christlichen einfalt,
gueter, erbawlicher ordnung, nutzlicher lehr unndt,
soviell thunlich, inn irem predigen der kürtze be-
vleißenn, unndt daß mit der gesundten undt reinen
lehr allte unndt junge nicht allein sommers, sondern
auch winters zeittenn, sowoll inn denn hauptkir-
chenn alß auch inn anndern dörffernn den capellenn
mit zuthun der schuellmeister, so vorthien inn allen
ansehentlichen fleckenn angenommen werden söl-
lenn, one alle redtliche clage trewlich unndt vleißig
versehenn würde.
Weill dann auch die inn Gott verstorbene chri-
stenn unnsers himmelischen vatters kinnder undt
glieder des herrn Christi seindt wie dann auch tem-
pell des heyligen geistes12, alß söllen dero verstor-
benn leichnam nicht allein ehrlich zum begräbnuß
beglaitet unndt begraben werden, sondern auch den
begleitenden christenn eine christliche leichpredigt,
so dem leben unndt glauben erbauwlich, nach gele-
genheit der zeitt allenthalben gehaltenn undt darzu
der vorgesetzte prediger erfordert werdenn.
Demnach auch die privata colloquia oder christ-
liche underrichtung unndt gesprech einen großen
nutzen haben unndt offtmaall bey denn einfellti-
genn unndt | 94v | ungelärttenn mehr fructificirt alß
ein statliche predigt, alß werdenn unnsere verordt-
nete kirchendiener sich christlicher familiaritet
unndt gelegenheit bey iren anvertrauweten zuehö-
rernn privatim gebrauchenn, sonnderlichen auch,
wenn die ellternn ire kinnder zuetauffenn oder junge
eheleutt den aufrueff13 undt christliche copula-
tion14 begeren etc., ursach darbey nehmenn,
freundtlichen von den hauptstückhenn christlicher
religion, unnsere seeligkeitt betreffendt, mit inen
zuereden unndt zuehandtlenn.
Alß auch die hohe notturfft erfordert, daß die
presbyteria (so dem predigampt die handt biethenn,
auch auff die lehr unndt das leben der kirchenn
11 Weiterhin.
12 1Kor 3,16; 6,15.19.
13 Das Aufgebot.
14 Kirchliche Einsegnung.

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