8. Kirchenzuchtordnung für die Stadt Hanau [nach 1599]
8. Kirchenzuchtordnung für die Stadt Hanaua
[nach 1599]
Wir, Philips Ludwig1, grave zue Hanaw und Rien-
eck, her zu Minzenberg etc. entpieten unsern rha-
ten, ambtman, befelhabern, kellern, schultheßen,
burgermeistern, scheffen, burgern und einwohnern
zu Hanaw unsern gruß und genedigen willen und
[tun] dabeneben ihnen sambt und sonders hiemit
kundt und zu wißen.
Dieweil wir leider allenthalben, sonderlich aber
in unser stadt Hanaw und bevorab in sachen, so un-
sere christliche religion und seligkeit betrifft, ein sol-
che viehische sicherheit2, unwesen und unordnung
von tag zu tag je lenger, je mehr einreißen und Got-
tes deß almechtigen zorn mit allerlei landplagen da-
ruber zu mehren und die mannigfaltige bußpredig-
ten wenig fruchten sehen, so werden wir ambts und
gewißens wegen gezwungen, mit ernst einmal darzu
zu thuen und dermaßen unß hierin zu erzeigen, daß
die frommen gesterckt, die bosen und ungehorsamen
aber der gebur nach gestraffet werden.
Wollen, ordnen und befhelen demnach erstlich,
daß an den son- und feirtagen, wie auch auf den
monatlichen bettagen niemand die predigt des worts
Gottes und offentlichen gottesdienst mutwilliger,
fursetzlicher weise verseume und unterdeßen ent-
weder daheim bleibe, auf der gaßen spacieren gehe,
fur der thuren stehe oder sonsten anderswo sich fin-
den laße oder auch seinen weltlichen geschefften
nachgehe und obliege, bei vermeidung unnachlass-
licher straff. | 538v | Und damit sich niemand einiges
vorschubs3 bei diesem punct zu behelfen4 habe, so
wollen wir, daß die frembden, so wol in der alten alß
newen stadt5 wonhafft, sich ebener maßen bei we-
render teutscher predig ahn ihrem ort halten und
a Textvorlage (Handschrift): SUB Göttingen 2o Cod. Ms.
Jurid. 8, Bd. II, fol. 538r-540r.
1 Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg (1576-1612).
2 Sorglosigkeit.
3 Unterstützung, Hilfe Grimm, DWb 26, Sp. 1517.
4 Bedienen, Grimm, DWb 1, Sp. 1333f.
5 Am 1. Juni 1597 unterzeichnete Graf Philipp Ludwig II.
fur, ehe und bevor die glocke gezogen wirt, sich zu
der kirche nicht nahen sollen.
Im gleichen auch die außländische, so entweder
durchreisen oder sonsten ihrer geschefften halben
sich dieses orts aufhalten, sollen von denen, bei wel-
chen sie zur herberg liegen, zur predig freundlich an-
gewisen und ermahnet oder je zum wenigsten bei
werender predig daheim gehalten werden oder so
wol sie, alß auch die jenigen, bei welchen sie sein, ein
anders daruber zu gewarten haben.
Zum andern. Weil wir auch sehen, daß etliche eltern
ihre kinder in unwißenheit und gotlosigheit zu
mercklichem ihrer selbst unheil und abbruch des
reichs Christi aufwachsen und dahin gehen laßen,
weder zur schulen noch kinderlehr6 schicken, so ist
unser befel und meinung, daß alle und jede kinder,
so der lehr und underweisung fähig seyen, fleißig zur
schulen und in der kirchen zu den catechismus
ubungen sollen angehalten, und die eltern, welche
sich unßer ordnung hirein widersetzen nicht allein
und ihre kinder7 ohne genugsamer ursachen daheim
behalten, unnachläßig gestrafft werden.
Zum dritten. Demnach wir auch mit großen schmer-
zen gesehen und erfahren, daß unsere burger und
einwohner den mehrern theil daß heilig nachtmal
deß hern Christi verachtet, ja gantz nicht ge-
braucht, sondern daßelbe zu halten zu unserm gros-
sen schimpf und despect, gleichsam, alß wan wir ei-
ner falschen lehr mit fugen konten beschuldiget wer-
den, an andern orten gesucht wirt, so wollen wir die-
selbe [nicht nur] vätterlich und trewlich darfur er-
die sog. Capitulation, den Vertrag für die Ansiedelung
reformierter Flüchtlinge aus den spanischen Niederlan-
den vor den Toren der Hanauer Altstadt. Damit wurde
die Hanauer Neustadt gegründet.
6 Katechismusunterricht.
7 Gemeint ist: die sich nicht nur der Ordnung widersetzen,
sondern auch ihre Kinder daheim behalten.
425
8. Kirchenzuchtordnung für die Stadt Hanaua
[nach 1599]
Wir, Philips Ludwig1, grave zue Hanaw und Rien-
eck, her zu Minzenberg etc. entpieten unsern rha-
ten, ambtman, befelhabern, kellern, schultheßen,
burgermeistern, scheffen, burgern und einwohnern
zu Hanaw unsern gruß und genedigen willen und
[tun] dabeneben ihnen sambt und sonders hiemit
kundt und zu wißen.
Dieweil wir leider allenthalben, sonderlich aber
in unser stadt Hanaw und bevorab in sachen, so un-
sere christliche religion und seligkeit betrifft, ein sol-
che viehische sicherheit2, unwesen und unordnung
von tag zu tag je lenger, je mehr einreißen und Got-
tes deß almechtigen zorn mit allerlei landplagen da-
ruber zu mehren und die mannigfaltige bußpredig-
ten wenig fruchten sehen, so werden wir ambts und
gewißens wegen gezwungen, mit ernst einmal darzu
zu thuen und dermaßen unß hierin zu erzeigen, daß
die frommen gesterckt, die bosen und ungehorsamen
aber der gebur nach gestraffet werden.
Wollen, ordnen und befhelen demnach erstlich,
daß an den son- und feirtagen, wie auch auf den
monatlichen bettagen niemand die predigt des worts
Gottes und offentlichen gottesdienst mutwilliger,
fursetzlicher weise verseume und unterdeßen ent-
weder daheim bleibe, auf der gaßen spacieren gehe,
fur der thuren stehe oder sonsten anderswo sich fin-
den laße oder auch seinen weltlichen geschefften
nachgehe und obliege, bei vermeidung unnachlass-
licher straff. | 538v | Und damit sich niemand einiges
vorschubs3 bei diesem punct zu behelfen4 habe, so
wollen wir, daß die frembden, so wol in der alten alß
newen stadt5 wonhafft, sich ebener maßen bei we-
render teutscher predig ahn ihrem ort halten und
a Textvorlage (Handschrift): SUB Göttingen 2o Cod. Ms.
Jurid. 8, Bd. II, fol. 538r-540r.
1 Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg (1576-1612).
2 Sorglosigkeit.
3 Unterstützung, Hilfe Grimm, DWb 26, Sp. 1517.
4 Bedienen, Grimm, DWb 1, Sp. 1333f.
5 Am 1. Juni 1597 unterzeichnete Graf Philipp Ludwig II.
fur, ehe und bevor die glocke gezogen wirt, sich zu
der kirche nicht nahen sollen.
Im gleichen auch die außländische, so entweder
durchreisen oder sonsten ihrer geschefften halben
sich dieses orts aufhalten, sollen von denen, bei wel-
chen sie zur herberg liegen, zur predig freundlich an-
gewisen und ermahnet oder je zum wenigsten bei
werender predig daheim gehalten werden oder so
wol sie, alß auch die jenigen, bei welchen sie sein, ein
anders daruber zu gewarten haben.
Zum andern. Weil wir auch sehen, daß etliche eltern
ihre kinder in unwißenheit und gotlosigheit zu
mercklichem ihrer selbst unheil und abbruch des
reichs Christi aufwachsen und dahin gehen laßen,
weder zur schulen noch kinderlehr6 schicken, so ist
unser befel und meinung, daß alle und jede kinder,
so der lehr und underweisung fähig seyen, fleißig zur
schulen und in der kirchen zu den catechismus
ubungen sollen angehalten, und die eltern, welche
sich unßer ordnung hirein widersetzen nicht allein
und ihre kinder7 ohne genugsamer ursachen daheim
behalten, unnachläßig gestrafft werden.
Zum dritten. Demnach wir auch mit großen schmer-
zen gesehen und erfahren, daß unsere burger und
einwohner den mehrern theil daß heilig nachtmal
deß hern Christi verachtet, ja gantz nicht ge-
braucht, sondern daßelbe zu halten zu unserm gros-
sen schimpf und despect, gleichsam, alß wan wir ei-
ner falschen lehr mit fugen konten beschuldiget wer-
den, an andern orten gesucht wirt, so wollen wir die-
selbe [nicht nur] vätterlich und trewlich darfur er-
die sog. Capitulation, den Vertrag für die Ansiedelung
reformierter Flüchtlinge aus den spanischen Niederlan-
den vor den Toren der Hanauer Altstadt. Damit wurde
die Hanauer Neustadt gegründet.
6 Katechismusunterricht.
7 Gemeint ist: die sich nicht nur der Ordnung widersetzen,
sondern auch ihre Kinder daheim behalten.
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