Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0461
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
11. Almosenordnung [1600]

11. Almosenordnunga
[nach 3. Juli 1600]
Hanaw Müntzenbergische auffs new angestelte und verbeßerte almusenordnung

Wir, Philips Ludwig , graff zue Hanaw und Rhien-
eck, herr zue Müntzenbergk, röm. kay. maytt. rhat
etc., entpieten allen und jeglichen unsern ober- und
underamptleuthen, rhäten, befelchhabern, dienern,
oberschultheßen, kellern, schultheißen, zentgra-
fen1 2, bürgermeistern, rhatsverwanten, schöffen, bür-
gern, inwohnern in stätten, flecken, dörfern und ge-
meindten, deßgleichen unsern inspectorn, pfarr-
herrn, kirchen- und schueldienern, eltisten, almu-
senpfleger, spittelmeistern und sonst allen andern
unserer graf- und herrschafften underthanen geist-
liches und weltliches stands unsern gnädigen gruß
und fügen euch zuewißen.
Demnach es Gottes ernstlicher will und befelch
ist, daß wir unß die armen, dürftigen sollen laßen
befohlen sein, daher auch unser herr und heiland
Christus die ewige verdambnus denen dräwet, wel-
che sich deren nicht annehmen, sondern sie hunger,
durst, blöße und andere mängel leiden laßen, her-
gegen aber denen 323v | reiche belohnung und ver-
geltung zuesaget, so derselben gebürlichen pfle-
gen3, als erforderts die hohe notturft insonderheit
bei diesen geschwinden, thewren zeiten, da der ar-
men sehr viel, die liebe aber dagegen fast4 bei men-
niglichen erkaltet, wo nicht gar verloschen ist, desto
fleißiger auf mittel und wege bedacht zue sein, wie
die armen beßer, dan etwan bißhero beschehen, ver-
sorget mögen werden.
Weill aber der mangel und fehl, so hierinnen ge-
spüret, nicht daher fleuset, daß Gott dem allmech-
tigen seine hand verkürtzet und er uns seine güter

a Textvorlage (Handschrift): SUB Göttingen 2° Cod. Ms.
Jurid. 8, Bd. II, fol. 323r-346v.
1 Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg (1576-
1612).
2 Siehe oben, S. 411 Anm. 2.

und gaben zue underhaltung der armen jetzo nicht
so reichlich als vor zeiten mittheilen, sondern fur-
nemblich aus der unordnung, dardurch gemeiniglich
die almusen denen ausgespendet, die es etwan am
wenigsten oder gar nicht vonnöten haben, dagegen
aber den notturftigen und bresthaften5 entzogen
oder ja nicht, wie sie sollen, ausgetheilet werden,
sonderlich auch dahero, daß in dem größern theil
der gemeindten Gottes entweder niemand eigentlich
darzue verordnet, deßen besonder befehl und ampt
wer, sich der armen anzuenehmen und die zue ver-
sorgen, oder aber, wo die schon verordnet, gemein-
lich ihr ampt nicht verstehen noch zue vertretten
wißen, oder auch ihnen 324r | sonsten daßelbe nicht
genugsam nach befehl Gottes angelegen sein laßen,
so erkennen wir unß vermüge tragenden ampts der
regirenden hohen obrigkeit in dieser graf- und herr-
schafft schüldig, heilsame und nutzliche anordnung
zue thun, damit dan jetz bemelten beiden mängeln
abgeholfen, nemblich den recht armen glidern Chri-
sti schüldige notturftige underhaltung mit gewißer
ordnung erstlich mitgetheilet, darnach auch dem
schändlichen mißbrauch und entwendung der al-
musen durch die faule, müßige verschwender und
erbbettler6 begegnet und gentzlich abgeschafft wer-
den möge, zue welchem ende wir dan diese vor jah-
ren sehr christlich und wolbedächtlich in schriften
verfaste almusenordnung7 mit etlich geringen ende-
rungen, wie das jetziger zeit gelegenheit und nottuft
erfordert, haben verbeßern, ernewern und in offenen
truck8 fur unserer graf- und herrschafften under-

3 Mt 25,31-46.
4 Sehr.
5 Kranken, Gebrechlichen.
6 Bettler, deren Eltern bereits Bettler waren.
7 Liegt nicht vor, siehe oben, S. 383f.
8 Ein Druck dieser Ordnung liegt nicht vor.

443
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften