Hanau-Münzenberg
Zum dritten geben darzu die von den kirchen-
dienern ihn ihren predigten gebrauchte bitterkeiten
ursach, darfür sie sich billich hüten sollen.
Zum vierten. Andere laßen sich mit einer stun-
dte in ihren predigten (da dreyviertel einer stunde
genug weren) nicht begnügen, sondern gewehnen
sich selbst fast ordinarie, solche uff 1 1/2, ja zwey
oder mehr stunden aufzuziehen, dadurch sie sich
dan also verwicklen, daß sie selbst offt den rechten
schluß nicht finden können, welches, daß es den ar-
men zuhörern nicht verdrießlich undt I187r | wieder-
spenstig machen solle, zumahl nicht zu leugnen ist,
und weil dan durch solche weise der kirchendiener
einen zweck, nemblich bey den leuten etwas zuba-
wen, nicht erreichet und, alß wissentlich, die zeit
vergeblich hinbringt, so hat er solchem in seinem
gewissen wohl nachzudencken und hinfurders kurtz
und succincte zu bredigen, sich zu befleißigen, damit
er seinem beruff eigentlich8 nachkomme und uns
nicht ursach gebe, ihme dießes in der persohn selb-
sten zue scherpfen.
Zum fünfften. Andere bringen ihre daheimb
etwa geschriebene commentaria uff die cantzel, sich
nurrendt9 darinnen zuuben. Gott gebe, der gemeine
mann verstehe so viel darvon alß er wolte, gerad alß
wen dießes der rechte zweck eines kirchendieners
were und nicht, daß er seine schaaffe alß weiden
solle10, daß sie der speiße genießen können. Und was
sollen oder konnen die zuhörer hie anderster thun,
weil sie die predigten nicht verstehen, alß daß sie
daheimb bleiben? Wer ist aber an solcher sündten
schuldig? Ist es nicht der kirchendiener?
Zum sechsten. Andere, da sie schon bey den or-
dinari texten der gewöhnlichen evangelien verblei-
ben, befleißen sie sich doch der aller subtilisten ma-
terien undt streichen die mit ihren divisionibus et
subdivisionibus alß auß, daß auch zu zeiten ein ge-
8 Gewissenhaft, Grimm, DWb 3, Sp. 102.
9 Nur.
10 Apg 20,28; lPetr 5,2.
11 Häufig, vielfach.
lertter logicus zu schaffen, wen er solche behalten
undt nominiren solte. Und solches geschicht nuhr
darumb, ihre gelertigkeitt damit an tag zu geben,
aber alles wieder ihren von Gott habenden beruff,
der einzig dahin gerichtet ist, daß durch ihre predig-
ten die zuhörer erbauwet, dem herrn Christo zuge-
wießen und nicht durch dergleichen subtile sachen
auß der kirchen geführet werden sollen. Dieße und
dergleichen sachen können nicht geleugnet werden,
daß sie uber andere verhinderungen, durch welche
die arme, einfaltige leute auß den kirchen abgehal-
ten werden, auch nicht die geringste seien. I187v j
Wan nuhn zubesorgen, da schon wir gegen dick11 be-
rührtes unfleißig kirchengehen ordnungen zu geben
geneigt und unßere kirchendienere solche mängel
ahn ihnen12 nicht verbessern solten, daß wenig
fruchtbarkeit zue erlangen, so erinnern wir billich
euch und euwerer claß angehörige kirchendienere
euwers tragenden ampts, damit ihr und sie je nicht
etwan des schweren fluchs13, den Gott der allmäch-
tig allen denen, die sein werck fahrleßig thun, ge-
tröewet14, sich theilhafftig machen. Wollen und be-
fehlen auch hiemit ernstlich, daß sowohl ihr alß
auch andere unser pfarherr undt kirchendiener sich
inskünfftig fur solchen mängelen hüten und dagegen
sich embsiglich befleisigen sollen, daß sie das wortt
Gottes rein und alß popular und deutlich vortragen,
damit es die einfaltigen mit nutzen begreifen und
also dadurch je lenger, je mehr lust und begirdte zu
den predigten bekommen können und mögen. Das-
selbe versehen wir uns zue euch und andern unsern
kirchendienern genediglich und bleiben euch damit
in gnaden gewogen.
Datum Hanaw, den 30. Novembris Anno etc. 1609
12 Sich.
13 Vgl. Mt 18,6.
14 Angedroht.
530
Zum dritten geben darzu die von den kirchen-
dienern ihn ihren predigten gebrauchte bitterkeiten
ursach, darfür sie sich billich hüten sollen.
Zum vierten. Andere laßen sich mit einer stun-
dte in ihren predigten (da dreyviertel einer stunde
genug weren) nicht begnügen, sondern gewehnen
sich selbst fast ordinarie, solche uff 1 1/2, ja zwey
oder mehr stunden aufzuziehen, dadurch sie sich
dan also verwicklen, daß sie selbst offt den rechten
schluß nicht finden können, welches, daß es den ar-
men zuhörern nicht verdrießlich undt I187r | wieder-
spenstig machen solle, zumahl nicht zu leugnen ist,
und weil dan durch solche weise der kirchendiener
einen zweck, nemblich bey den leuten etwas zuba-
wen, nicht erreichet und, alß wissentlich, die zeit
vergeblich hinbringt, so hat er solchem in seinem
gewissen wohl nachzudencken und hinfurders kurtz
und succincte zu bredigen, sich zu befleißigen, damit
er seinem beruff eigentlich8 nachkomme und uns
nicht ursach gebe, ihme dießes in der persohn selb-
sten zue scherpfen.
Zum fünfften. Andere bringen ihre daheimb
etwa geschriebene commentaria uff die cantzel, sich
nurrendt9 darinnen zuuben. Gott gebe, der gemeine
mann verstehe so viel darvon alß er wolte, gerad alß
wen dießes der rechte zweck eines kirchendieners
were und nicht, daß er seine schaaffe alß weiden
solle10, daß sie der speiße genießen können. Und was
sollen oder konnen die zuhörer hie anderster thun,
weil sie die predigten nicht verstehen, alß daß sie
daheimb bleiben? Wer ist aber an solcher sündten
schuldig? Ist es nicht der kirchendiener?
Zum sechsten. Andere, da sie schon bey den or-
dinari texten der gewöhnlichen evangelien verblei-
ben, befleißen sie sich doch der aller subtilisten ma-
terien undt streichen die mit ihren divisionibus et
subdivisionibus alß auß, daß auch zu zeiten ein ge-
8 Gewissenhaft, Grimm, DWb 3, Sp. 102.
9 Nur.
10 Apg 20,28; lPetr 5,2.
11 Häufig, vielfach.
lertter logicus zu schaffen, wen er solche behalten
undt nominiren solte. Und solches geschicht nuhr
darumb, ihre gelertigkeitt damit an tag zu geben,
aber alles wieder ihren von Gott habenden beruff,
der einzig dahin gerichtet ist, daß durch ihre predig-
ten die zuhörer erbauwet, dem herrn Christo zuge-
wießen und nicht durch dergleichen subtile sachen
auß der kirchen geführet werden sollen. Dieße und
dergleichen sachen können nicht geleugnet werden,
daß sie uber andere verhinderungen, durch welche
die arme, einfaltige leute auß den kirchen abgehal-
ten werden, auch nicht die geringste seien. I187v j
Wan nuhn zubesorgen, da schon wir gegen dick11 be-
rührtes unfleißig kirchengehen ordnungen zu geben
geneigt und unßere kirchendienere solche mängel
ahn ihnen12 nicht verbessern solten, daß wenig
fruchtbarkeit zue erlangen, so erinnern wir billich
euch und euwerer claß angehörige kirchendienere
euwers tragenden ampts, damit ihr und sie je nicht
etwan des schweren fluchs13, den Gott der allmäch-
tig allen denen, die sein werck fahrleßig thun, ge-
tröewet14, sich theilhafftig machen. Wollen und be-
fehlen auch hiemit ernstlich, daß sowohl ihr alß
auch andere unser pfarherr undt kirchendiener sich
inskünfftig fur solchen mängelen hüten und dagegen
sich embsiglich befleisigen sollen, daß sie das wortt
Gottes rein und alß popular und deutlich vortragen,
damit es die einfaltigen mit nutzen begreifen und
also dadurch je lenger, je mehr lust und begirdte zu
den predigten bekommen können und mögen. Das-
selbe versehen wir uns zue euch und andern unsern
kirchendienern genediglich und bleiben euch damit
in gnaden gewogen.
Datum Hanaw, den 30. Novembris Anno etc. 1609
12 Sich.
13 Vgl. Mt 18,6.
14 Angedroht.
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