Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts

3. Agende [1582]

glidmaß unsers hernn Jesu Christi45, dem auch die
engel Gottes dienen | werdenn46. Ir solt auch nicht
zweiffeln, waß ihr diesem kindtlein guets oder böses
thun werdet, das werdt ihr unserm hern Christo sel-
ber thun47. Demnach seindt wir auch schuldig, Gott
dem hern zu dancken fur die erhaltung seiner kir-
chenn, daß er auch dieses kindtlein zu der verspro-
chenen seligkeit woll erhaltenn, unndt betet also:
Almechtiger, barmherziger Gott unndt vatter, wir
sagenn dir lob unndt danck, das du dein kirch gne-
diglich erhältest undt mehrest und diesem kindt
verlihenn hast, das es durch die heylige tauff wider-

gebornn unnd deinem liebenn sohn, unserm hern
unndt einigem heylandt, Jesu Christo, eingeleibt,
dein kindt unndt erbe deiner himlischen gutter wor-
denn ist. Wir bittenn dich ganz gehorsamlich, daß
du dis kindt, so nunmehr dein kindt worden ist, bey
der empfangenen guthat gnediglich bewahrenn wol-
lest, damit es nach allem deinem wolgefallenn zu lob
unndt preiß deines heyligenn namens uf das trew-
lichst undt gottseligst der gethanen zusag unndt
verheissung nach auferzogenn werde unndt endtlich
daß versprochen erbtheill im himmell48 mit uns undt
allenn glaubigenn empfahe, durch unsern hernn Je-
sum Christum, amen49.

[3.] Wie es mit verrichtung des herrnn abendtmahls gehaltenn wirdt etc.

Nach verrichtung der predig, öffner beicht unndt
gemeinem gebet dritt der pfarher fur denn altar,
drauff wein unndt brott verordnet50, unndt thut ge-
gen die communicanten diese nachvolgende vermah-
nung:
51Ir allerliebstenn in Christo Jesu. Dieweil wir itzt
das gnadenreich abendtmahl unsers liebsten hey-
lands begehenn unndt haltenn wollenn, darinnen er
unß seinen warhafftigenn leib zu einer speiß undt
sein eigen blut zu einem tranck, denn glauben damit
zu sterckenn, gebenn wil, sollen wir billich, mit gros-
sem vleiß undt inbrunstiger andacht uns selbst, wie
S. Paulus vermahnet52, brufenn. Dann dis heylig sa-
crament ist zu einem sondern trost undt stercke ge-
geben den armen, betrubtenn gewissen, die ihre
sundt im herzen empfindenn undt bekennen, Gottes
zorn undt den todt furchtenn und nach der gerech-
tigkeit hungerig unndt durstig sein53. So wir aber
unß selbs prufenn unndt ein jeder in sein gewissen
gehen wirdt, werdenn wir gewißlich nichts anders

45 Vgl. 1Kor 12,27.
46 Vgl. Mt 4,11.
47 Mt 18,5; Lk 9,48.
48 Eph 1,11; Kol 1,12; lPetr 1,4; Hebr 9,15.
49 Dieses Gebet stammt aus der württembergischen Kir-
chenordnung von 1553, Sehling, EKO XVI, S. 236.
50 Angerichtet sind, Grimm, DWb 25, Sp. 952.
ol Diese Vermahnung einschließlich des Gebets stammt aus

finden dann allerley grewliche sundt undt denn ewi-
gen todt, den wir mit der sunde verschuldt habenn,
dann der soldt der sunden ist der todt, wie Paulus
sagt54, undt können doch unß selbst in keinen weg
darauß helffenn.
Darumb hat unnser lieber her Jesus Christus
sich uber unß erbarmet undt ist umb unser sundten
willen mensch wordenn, auf das er das gesätz undt
allenn willenn Gottes fur unß und uns zu guet er-
fullet undt denn todt undt alles, waß wir mit unsern
sunden verschuldt hettenn, fur unß undt zu unserer
erledigung55 auf sich nehme unndt bezalte. |
Unndt das wir je das vestiglich glaubenn und
frölich in seinem willenn lebenn möchten, name er in
dem abentmahl das brot, saget danck, brachs undt
sprach: Nemet hin undt esset, daß ist mein leib, der
fur euch dargegeben wirdt56, (das ist) das ich
mensch bin wordenn undt alles, waß ich leide undt
thu, ist alles ewer eigen, fur euch und euch zu guet
geschehenn. Deß zu einem gewißen anzeigen undt
zeugnuß undt das ihr immer in mir bleibet undt le-

der württembergischen Kirchenordnung von 1536, Seh-
ling, EKO XVI, S. 252f.
52 1Kor 11,28.
53 Mt 5,6.
54 Röm 6,23.
55 Erlösung, Grimm, DWb 3, Sp. 897.
56 Mt 26,26; Mk 14,22; Lk 22,19; 1Kor 11,23-24.

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