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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0670
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Ysenburg-Birstein

ungehorsamb seindt, alle todtschläger, bal-I ger, ha-
derer, die in neid und haß wieder ihren nägsten le-
ben, alle ehebrecher, hurer, volsäuffer, dieb, wu-
cherer, räuber, spieler, geitzigen und alle die, so ein
ärgerlichs leben fuhren. Diese alle, so lang sie in sol-
chen lastern beharren, sollen gedencken und sich
dieser speiß, welche Christus allein seinen glaubigen
verordtnet hatt, enthalten, auff daß nicht ihr ge-
richt und verdamnuß desto schwehrer werde.
Dieß aber wirdt uns nicht furgehalten, liebe
christen, die zerschlagene hertzen der glaubigen
kleinmuttig zu machen, als ob niemandt zum abent-
mal des herren gehen möcht, dan die ohn alle sundt
wehren. Dan wir kommen nit zu diesem abentmal,
damit zu bezeugen, daß wir volkommen und gerecht
seindt in unß selbst, sondern dargegen, weil wir un-
ser leben außerhalb uns in Jesu Christo suchen, be-
kennen wir, daß wir mitten in dem todt liegen. De-
rohalben, wiewohl wir noch viel gebrechen und
elendts in uns befinden, als da ist, daß wir nit einen
volkommenen glauben haben, daß wir uns auch
nicht mit solchem eyfer Gott | zu dienen begeben,
wie wir zu thun schuldig sein, sondern täglich mit
der schwachheit unsers glaubens und bösen lusten
unsers fleisches haben zu streitten; nit desto weni-
ger, weil durch die gnadt des h. geistes solche ge-
brechen uns von hertzen leidt seindt und wir hertz-
lich begehren, unserm unglauben wiederstandt zu
thun und nach allen gebotten Gottes zu leben, sollen
wir gewiß und sicher sein, daß kein sündt noch
schwachheit, so noch wieder unsern willen in uns
ubrig ist, hindern kan, daß uns Gott nicht zu gna-
den annehme und also dieser himlischen speiß undt
tranck wurdig und theilhafftig mache.
Zum andern last uns nuhn auch betrachten, warzu
uns der herr sein abentmal habe eingesetzt, nemb-
lich daß wir solches thun zu seiner gedechtniß. Also
sollen wir aber seiner darbey gedencken, erstlich,
daß wir gentzlich in unsern hertzen vertrawen, daß
unser herr Jesus Christus laut der verheißung, wel-
che den ertzvättern von anbegin geschehen, vom
vatter in dieße welt gesandt sey, unser fleisch und
61 Vgl. Kol 2,14.
62 Mt 27,46; vgl. Ps 22,2.

blut an sich genommen, | den zorn Gottes, under
dem wir ewiglich hetten mußen versincken, von an-
fang seiner menschwerdung biß zum ende seines le-
bens auff erden fur uns getragen und allen gehor-
samb des gottlichen gesetzes und gerechtigkeit fur
uns erfullet, furnemlich, da ihm der last unserer sun-
den und des zorns Gottes den blutigen schweiß im
garten außgedrucket hatt, da er ist gebunden wor-
den, auff daß er uns entbunde, darnach unzehliche
schmach erlidden, auff daß wir nimmer zuschanden
wurden, unschuldig zum todt verurtheilet, auff daß
wir fur dem gericht Gottes freygesprochen wurden,
ja, seinen gebenedeyten leib ans creutz laßen nägeln,
auff daß er die handschrifft unser sunden daran
näglete61 und hat also die vermaledeyung von uns
auff sich geladen, auff daß er uns mit seiner bene-
deyung erfüllete, und hatt sich genidriget biß in die
aller tieffeste schmach und hellische angst leibs und
der seelen am stammen des creutzes, da er schrey
mit lauter stimme: Mein Gott, mein Gott, warumb
hastu mich verlaßen?62, auff daß | wir zu Gott ge-
nommen und nimmermehr von ihm verlaßen wür-
den, entlich mit seinem todt und blutvergießen das
newe und ewige testament, den bundt der gnaden
und versönung beschloßen, wie er gesagt hat: Es ist
volbracht63.
Damit wir aber festiglich glaubten, daß wir in die-
sen gnadenbundt gehören, nam der herr Jesus in sei-
nem letzten abentmal das brot, dancket, brachs,
gabs seinen jungern und sprach: Nemet hin und es-
set; das ist mein leib, der fur euch gegeben wirdt;
das thut zu meiner gedechtnuß. Deßelbigen gleichen
nach dem abentmal nam er den kelch, saget danck
und sprach: Nemet hin und trincket alle darauß;
dieser kelch ist das newe testament in meinem blut,
das fur euch und fur viel vergossen wirdt zu verge-
bung der sunden; solches thut, so offt ihrs trincket,
zu meiner gedechtniß. Das ist, so offt ihr von die-
ßem brot esset und von diesem kelch trincket, solt
ihr dardurch als durch ein gewißes gedechtniß und
pfandt | erinnert und versichert werden dießer mei-
ner hertzlichen lieb und trew gegen euch, daß ich fur
63 Joh 19,30.

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