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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0723
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27. Kirchen- und Sittenzuchtordnung [1581]/1587

Zum andern, so ist bishero wieder unser hiebevor
aufgerichte gutte policeyordnung8 auch ein großer
uberfluß9, unnutze verschwendung unnd schendli-
cher mißbrauch der gaben Gottes an speis unnd
tranck auf hochzeitt unnd kindtauffen gepraucht
unnd geubet worden, daher es dan sich zutregt, weil
dasjenig, so die eltern ihren kindern soltten mitt zur
ehesteur geben, auf den hoch- | zeitten unnutzlich
umbgepracht unnd verschwendet wurde, das dieje-
nige eheleutt, so mitt blosen10 henden zusammen
kommen, haben keinen anfang zue ihrem haushalt
oder handwerck unnd gerathen also bald anfangs ih-
res ehestands an den bettelstabe. Gleichermaßen
[v]erhelt es sich auch mit den armen kindbetterin.
Dießelbige mueßen den uf der kindtauf aufgewen-
den unnötigen costen hernachmals die zeitt ihres
kindbetts mit großem mangel, notturfftiger wart-
tung11 und underhalts jemerlichen büeßen unnd be-
zahlen.
Solche erzeltten schendlichen uberfluß unnd un-
ordnung auf hochzeit unnd kindtauff wollen wir hie-
mit unnd crafft dießes allerdings abgeschafft und
verpotten haben unnd sollen hienfuro unser under-
thanen unnd burger daran in anno etc. [15]68 von
unsern rhät zue Buedingen dißfals ubergebener
unnd in diesem mandat wiederholtter unnd verbe-
ßerter ordnung12 sich gemeß unnd gehorsam erzei-
gen unnd verhalten, alles bey vermeidung der inn
gedachter ordnung angedeuter unnd specificirter
straf, wie wir dan solche ordnung hiemit wißentlich
ratificirt unnd bestettiget haben wollen. Doch sollen
die verwurckte straff mit wießen ounsers gemeinen
stadt amptmans0 gesatzt, ein[ge]fordert unnd fol-
gend in der burgermeister jahrrechnung verrechnet
werden.
Hierauf ist unser will, meinung unnd bevelch,
daß keinem unserem burger unnd einwohner zue
Buedingen uber 26 phar ehevolcks, 8 par ledigerp
personen zue seiner oder der seinen hochzeitt zue

°-° Gestrichen, korrigiert in: unser rhatt und bevhelhaber.
p Am Rand ergänzt: einheimischer.
8 Hier ist die 1583 erlassene Kirchenzuchtordnung ge-
meint, siehe oben, Nr. 10.
9 Unmäßigkeit.

berueffen unnd zu laden sol zugelaßen unnd | erlaubt
seinn, in welche zahl koch, abspeiser13, becker unnd
andere aufwertter auch begrieffen sind, unnd sol
derjenig, welcher ohne erlaubnuß daruber laden
wurdt, mit 1 fl zur straff vor jede person verfallen
seinn.
Wan auch bißhero dieser unnöttiger unnd uber-
flußiger uncost angewendet worden inn deme, das
der hochzeitter alda diejenige, so er zur hochzeitt
erpetten unnd zuvor des weinkauffs14 nicht genoißen
haben, zu dem abendimbs vor dem hochzeittag ge-
laden hatt, da alsdann solch imbs sampt dem wein-
kauff fast eben soviel gekost hatt als die gantze
hochzeitt, auch die hochzeittleutt gleich anfangs
sich dermaßen mitt wein uberfult, das sie auf den
morgen wegen kopff wehethumbs unnd anderer da-
hero entstandener leibs ungelegenheitt halben den
christlichen kirchgang ordentlicher gepuer kaum
zieren noch celebriren haben helffen können, sol-
chem unnötigen wesen aber zuvorkommen unnd die-
sen uberflußigen uncosten abzuschneiden, wollen
wir hiermit, auch ernstlichen gepietend, daß berurtt
erst abendimbs hienfuro underlaßen unnd darzu von
dem breutigam ferner niemands als nur allein die
frembde unnd diejenige, bey denen solche frembde
zur herberg ainlosiert seindt, welches doch dem
breutigam freystehen soll, geladen unnd beruffen
werden sollen, unndt | welcher daruber thun wurd,
der sol vor jede person auch in benante poen verfal-
len sein.
Unnd weil es bißhero brauchlich gewesen, daß
man den ersten tag zwo malzeitt gehaltten, lest man
es kunfftig auch dabey pleiben unnd beruhen.
Soviel aber anlangt das abendeßen des andern
tags, weil den gantzen tag uber mit eßen, trincken,
tantzen unnd anderer fröligkeitt den sachen gnug-
sam geschehen, auch den abend unnd bey nacht,
wan der wenigste theil nuchtern unnd bescheiden,
sich allerhannd unordnung unnd unfueg zutragen,

10 Leeren.
11 Versorgung, Grimm, DWb 27, Sp. 2183.
12 Liegt nicht vor.
13 Derjenige, der die Speisen austeilt, Grimm, DWb 16,
Sp.2121.
14 Verlobung.

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