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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 2. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30660#0023
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Einleitung

1. Die Einführung der Reformation in der Wild- und Rheingrafschaft

Die Wild- und Rheingrafschaft war eine durch eine komplexe Erb- und Teilungsgeschichte1 entstandene
Duodezherrschaft mit einem weit verstreuten Herrschaftsgebiet im Hunsrück (u.a. Kirn, Dhaun, Grum-
bach, Rhaunen) sowie in Lothringen und im Elsass (Vinstingen (Fenetrange), Püttlingen (Puttelange-aux-
Lacs), Salm (am Donon in den Vogesen) und Diemeringen(Dimringen)). 1520 teilten die Söhne von Graf
Johann VI. (gest. 1499), Philipp (1492-1521) und Johann VII. (1493-1557), das Erbe in die Linien Dhaun
und Kyrburg, aber die verschiedenen Linien und Regenten arbeiteten in kirchlichen Belangen hin und
wieder zusammen, wie u.a. die Entstehungsgeschichte der Kirchenordnung nach 1596 zeigt.2
In der Stiftskirche St. Johannisberg bei Kirn war schon 1538 erstmals evangelisch gepredigt worden,
und Philipp Franz von Dhaun (1518-1561), der älteste Sohn Philipps, war mit der evangelischen Gräfin
Maria von Öttingen verheiratet. Es kann von einer stillen Duldung evangelischer Predigt ausgegangen
werden, und auch die große Mainzer Interims-Visitation 1550 ergab, dass die meisten Pfarrer der neuen
Lehre anhingen.3 Wie in zahlreichen anderen kleinen protestantischen Herrschaften wurde aber erst nach
dem Augsburger Religionsfrieden mit der systematischen Einführung der Reformation begonnen: In St.
Johannisberg wurde aus dem Stiftsdekanat 1559 die Stelle eines Superintendenten geschaffen,4 das Stift St.
Johannisberg, seit 1383 Grablege der Wild- und Rheingrafen, wurde 1561 offiziell aufgelöst.5 Philipp Franz
starb 1561, nachdem er unmittelbar zuvor noch am Naumburger Konvent teilgenommen hatte.6 Die Graf-
schaft wurde unter seinen vier Söhnen aufgeteilt. Die Vormundschaft für die minderjährigen Erben führte
sein jüngerer Bruder Johann Philipp (d.Ä.). Dieser begann sofort mit der organisatorischen Ausgestaltung
der neuen Lehre durch eine Reihe kleinerer Ordnungen, wie einer Hofordnung und verschiedenen Dorf- und
Gemeindeordungen.7Eine eigene Kirchenordnung dagegen wurde nicht eingeführt, sondern nachweislich
die kurpfälzische Kirchenordnung von Kurfürst Ottheinrich von 1556 benutzt.8Sowohl bei der Synode
15689 als auch noch bei der Visitation 1584 werden die Pfarrer auf die Einhaltung der Bestimmungen dieser
Kirchenordnung verpflichtet,10 von der es wörtlich heißt: [die] christliche Kirchen Ordtnungk, so der wolge-
borne, unser lieber Herr Vatter Philipp Frantzen, Wildt- und Rheingrave etc. christseliger gedechtnus, an jedes
orht unserer Graveschafft gn[ädig hat] uberliffernlaßen.11

1 Vgl. Baumgarten, Hexenprozesse, S. 53f.
2 Vgl. Baumgarten, Hexenprozesse, S. 54.
3 Vgl. Grashof/Guischard, Salisso, S. 231, vgl. Schel-
lack, Kirchenvisitation, S. 9f. Faulenbach, Quellen,
S.211-222.
4 Schon von 1557 ist ein erstes Inventar der Einkünfte des
Stiftes erhalten, FSSA Bestand Dhaun, 21/340/2195.
5 Vgl. Fröhlich, Superintendenten, S. 4; Fröhlich,
Stift, S. 313-317.
6 Vgl. Grashof/Guischard, Salisso, S. 232.

7 Vgl. Jüngst, Censur- und Gemeindeordnungen, S. 119f.
8 So in diversen Pfarrstellen- und Superintendentenratifi-
kationen, vgl. FSSA Bestand Dhaun 21/340/2197.
9 Glaser, Protokoll, S. 98, 100.
10 Das Visitationsprotokoll ist abgedruckt bei Goedel,
Pfarrer und Gemeinden, S. 5-12 u. 97-104; zur kurpfäl-
zischen KO vgl. aaO S. 11. Vgl. Fröhlich, Geschichte,
S. 8.
11 Pfarrarchiv Simmertal 06-1/1.

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