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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Bergholz, Thomas [Oth.]; Goeters, J. F. Gerhard [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 2. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30660#0024
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Wild- und Rheingrafschaft

1. Kirchenzuchtordung 1563 (Text S. 532)
Von allgemeiner Bedeutung unter den o. g. kleineren Ordnungen scheint lediglich diese, hin und wieder in
der Literatur fälschlich auch als „Kirchenordnung“ genannte Ordnung gewesen zu sein. Es handelt sich um
eine zeitübliche Sittenzucht- bzw. Polizeiordnung, die aber dadurch wichtig ist, dass in ihr von der freien
Verkündigung des Wortes Gottes und der Abschaffung des Papsttums die Rede ist. Die Ordnung wurde am 29.
Januar 1599 noch einmal unverändert publiziert.12

2. Die Reformation in Vinstingen und Diemeringen
Im lothringischen Gebietsteil hatten die Wildgrafen durch den Tod ihres Mitherren Ludwig von Dommar-
tin 1554 ihre Rechte gegenüber den anderen Vinstinger Gemeinherren beträchtlich erweitern können;
zunächst beließen sie es aber bei den hergebrachten Verhältnissen. Erst 1565, als Diana von Dommartin, die
Tochter und einzige Erbin Ludwigs, zwölfjährig mit Johann Philipp (d.J.) vermählt wurde, fühlten sich die
Wildgrafen stark genug, auch hier formell die Reformation durchzuführen. Dazu beriefen sie den Simmer-
ner Superintendenten Nikolaus Beuck;13 das Vinstinger Stift wurde aufgelöst, fünf der vermutlich acht
Stiftsherren gingen ins metzische Donnelay ins Exil, die anderen drei traten zum neuen Glauben über.14
Beuck wirkte hier bis zu seinem Tode 1571 oder 1572.15
2. Reformationsmandat für die Herrschaft Vinstingen 1565 (Text S. 537)
Diese Urkunde, die eigentlich die Berufungsurkunde für den Superintendenten darstellt, ist nur in einer
Abschrift aus dem Jahre 1570 erhalten, die Nikolaus Beuck in seiner Heimatstadt Saarbrücken anfertigen
ließ. Der Grund dafür ist nicht bekannt, könnte aber darin liegen, dass Beuck sich und seine Familie gegen
die mit ihren Gehaltszahlungen offenbar weit in Verzug geratenen Grafen absichern wollte, denn im gleichen
Aktenbüschel ist ein Vidimus des Saarbrücker Notars Ingenheim über einen Schuldschein des Wildgrafen
Otto gegenüber Beuck über 1200 Gulden erhalten, und außerdem gibt es ein Schreiben der Witwe Beucks
aus dem Jahre 1572, in dem sie das seit Jahren rückständige Gehalt ihres zu diesem Zeitpunkt offenbar
jüngst verstorbenen Mannes einklagt.16
Johann Philipp war schon 1569 in den Hugenottenkriegen (auf Seiten des französischen Königs) gefal-
len; Diana heiratete 1570 in zweiter Ehe den katholischen Grafen Carl Philipp von Croy-Havre - damit
hatten die katholischen Gemeinherren am Vinstinger Besitz wieder Boden gewonnen und neuer Streit war
vorprogrammiert.

12 Freundlicher Hinweis von Pfr. Erik Zimmermann, Hot-
tenbach. Vgl. Grashof/Guischard, Salisso, S. 251f.
13 Geb. ca. 1523 in Saarbrücken, 1539 imm. Heidelberg,
1546 Priesterweihe, 1551 Stiftsherr und kurz darauf
Dekan des reformfreudigen Augustiner-Chorherrenstif-
tes St. Arnual (bei Saarbrücken), 1554 Resignation,
wahrscheinlich wegen des Reformunwillens des katholi-
schen Saarbrücker Grafen; 1555 evangelischer Hofpre-
diger in Forbach, 1557 vertrieben und Superintendent in
Simmern; gest. vor 1572; vgl. Conrad, Beuck, BBKL
24, Sp. 90-92.

14 Vgl. Cuny, Reformation 2, S. 79f. Die Exilierung der
Stiftsherren mit einem Teil des Vermögens und der Ein-
künfte des Stiftes und der Verbleib einiger der Mitherren
beim alten Glauben führte im folgenden zu einer schwe-
ren Finanzkrise der evangelischen Finstingischen Kir-
che.
15 1572 verlangt seine Witwe die Auszahlung des ausste-
henden Gehalts ihres verstorbenen Mannes, das sich
mittlerweile auf 600 Gulden summiert hatte, vgl. Cuny,
Reformation 2, S. 108.
16 Vgl. oben Fußnote 15.

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