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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 2. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30660#0126
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Wild- und Rheingrafschaft

Wann nun der sontag oder sonst ein fest herbei kom-
men und der glöckner zu bestimbter zeit deß mit
underschiedtlichen glocken geleuttet und hernach
umb 8 uhren oder nach jedes orts gelegenheit zu-
sammen geschlagen und, wo schulen vorhanden, die-
selb mit ihrem schulmeister alsobaldt in ihrem ortt
ordentlich und züchtig erschienen sein, soll in stät-
ten und flecken erstlich der schulmeister alle knaben
niderknien laßen und mit ihnen singen: Komb, hei-
liger geist etc.107 Darauff der pfarrer vor den altar
tretten und daß volck also anreden und sprechen:
Unser anfang sei im nahmen deß herrn, der himmel
und erden geschaffen hatt, demselbigen sagen wir
ewiges lob und danck, daß er unß heut, dieße nacht
und vergangenen wochen so vätterlichen beschützet
und behütet hatt und dießen tag (fest) |47r| mit freu-
den hatt laßen sehen und erleben. Unnd bitten, daß
er fernher durch seinen h. geist in unß cräfftiglich
regiere, auff daß wir dießen tag (fest) und folgende
wochen also mögen zubringen, daß sein göttlicher
nahme geehret und gepreißet werde. Derhalben wol-
len wir ihn umb fruchtbare anhörung seines wortts
also miteinander anruffen und bitten:
O allmächtiger, ewiger Gott, sintemahl all unßer
heil darinnen stehet, daß wir deines heiligen worts
einen rechten, wahren verstandt haben, so verleihe
unß allen, daß unßer hertzen, gefreiet von weltli-
chen geschäfften, mit allem fleiß und ernst dein hei-
liges wortt anhören und faßen, auff daß wir dar-
durch zur erkantnuß deines lieben sohns gebracht
und deines gnädigen willens gegen unß vertröstet
werden, dich alzeit loben, preißen und dir dancken,
durch unßern herrn und heilandt Jesum Christum,
Amen.
Wann nun solch gebett geschehen, soll von schul-
meister und schülern mit der gantzen gemein ein
kurtzer psalm, so etlicher maßen uff das evangelium
und die predigt gericht seie, welchen auch jederzeit
107 Luther, AWA 4, Nr. 15.
108 Luther, AWA 4, Nr. 24.
109 Strophe.
110 Wackernagel III Nr. 573.

ein schullmeister, wo nit ehe, doch auff sambstag
zuvor vom pfarrer begeren und mit seinen knaben
ubersingen soll, gesungen werden. Nach vollendtem
gesang, so er nit zu lang (dann so er zu lang, mag er
getheilt und vor der lection der ordentlichen epistel
halb undt |47v| hernacher daß ander halb theil ge-
sungen werden), soll der caplan oder, wo keiner ist,
der pfarrer oder ein schulmeister, wann er darzu
düchtig, die gewöhnlich epistel dem gemeinen volck
langsam und verstendtlich mit heller stim vorleßen.
Darnach singt man abermahl, entweder den glau-
ben108 oder sonsten ein kurtzen psalm oder das uber-
gelaßene halbe theil nach gelegenheit der zeit; und
wann daß letzte gesetz109 deß psalm beinahendt auß-
gesungen, geht der prediger auff die cantzell, macht
seinen eingang, bittet umb die gnade seines h. geis-
tes und thut daß gebett deß vatter unßers laut oder
still. Da aber ein hohes fest wehre, soll vor dem vat-
ter unßer vorher gesungen werden: Ein kindelein so
löbelich etc.,110 Christ ist erstanden,111 Christ fuhr
gehn himmel etc.,112 Nun bitten wir den heiligen
geist etc.113
Folgendts nimb der pfarrer vor sich die gebräuchli-
che textus evangeliorum oder historias de tempore
oder lieset sie deutlich dem volck fur und thut dar-
auß ein predigt, auß welcher nit allein die gelertten,
welche sich gern benügen laßen, sondern vielmehr
die aller einfältigsten etwaß vernehmen undt behal-
ten mögen. Dann umb große kunst und weitleuffig-
keit ist es im predigen nit zuthun, sondern daß die
unverstendigsten underwißen, die nachläßigen er-
weckt, die rohen und sichern geschreckt, die hal-
starrigen uberwißen und die blöde, erschrockene ge-
tröst und also die kirche Gottes erbawet und gebe-
ßert werde. |48r|
Wann nun die predigt, so nit uber 3/4 oder ein
stundt weren soll, vollendet, soll der pfarrer zur ge-
mein also sprechen:
111 Luther, AWA 4, Nr. 32.
112 Nikolaus Herman, Wackernagel III Nr. 1358.
113 Luther, AWA 4, Nr. 19.

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