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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Bergholz, Thomas [Oth.]; Goeters, J. F. Gerhard [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 2. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30660#0139
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21. Kirchenordnung [nach 1603]

Darauff heiße sie der pfarrer niderknien undt spre-
che also:
Last unß betten. Allmächtiger, ewiger Gott, der
du man und weib geschaffen undt zum ehestandt
verordtnet hast, darzu mit früchten des leibs geseg-
net und daß [ge]heimnuß deines lieben sohns Jesu
Christi undt der kirchen, seiner geliebten gesponß,
darinnen bezeichnet, wir bitten deine grundtloße

barmhertzigkeit, du wollest solch dein geschopff,
ordnung und segen nit laßen verrucken oder unter-
gehen, sondern gnädiglich unß bewahren, durch Je-
sum Christum, unßern herrn, Amen.
Vatter unser etc.
Der herr gesegne euch und etc.163

Das sechste capitell:
Von besuchung der krancken.

Es sagt der ewige sohn Gottes Esai am 50.: Der herr
hat mir ein gelehrte zunge gegeben, daß ich wiße mit
den müden zu rechter zeit zu reden.164 Solches hat
der threwe herr im newen testament gantz lieblich
erfüllet, da er sagt, Matth. am 11.: Kompt her zu
mir alle, die ihr müheselig undt beladen seit, ich will
euch erquicken.165 Unter dießen müden unndt bela-
denen seindt nicht die geringste, |64r| die leibliche
kranckheiten an dem halße tragen, alß die da nit
allein die schmertzen am leibe, sondern auch an der
seelen, die sünde unndt anfechtunge deß teuffels
fühlen müßen. Derhalben kirchendiener neben an-
dern guthertzigen christen sich fürnemblich in die-
ßem fall der krancken fleißig und trewlich anneh-
men sollen, und daß also und dergestalt.
Erstlich, weil offt viel leuth kranck liegen, darvon
ein prediger nichts weiß, sollen sich die krancken
durch die ihrige bei guter zeit dem pfarrer sie zu
besuchen anzeigen laßen undt nit warten biß auf die
stunde deß todts.
Wann nun ein prediger zum krancken kompt,
soll er fleißig warnehmen, wie es umb den krancken
beschaffen, ob ihme der leibliche schmertzen am
meisten wehe thue oder die sünde angelegen seie?
Dann hirinnen offtermahl nit fürsichtiglich gehan-
delt wirtt, daß man die, so allein uber deß leibs
schwacheit klagen, mit argumenten und sprüchen
anredet, so allein zu einem zerschlagenen hertzen
gehören und widerumb etc. Wie nun ein prediger

den krancken befindt, also soll er sich fleißigen,
ihme zue helffen: Ist er ungedultig, zur gedult ver-
mahnen; ist er trawrig und betrübt, mit dem trost
deß h. evangelii desto tapfferer anhalten.Undt hier-
zu wil sonder kunst vonnöten sein, dann kein grö-
ßere kunst auf erden ist, alß mit krancken recht |64v|
umbgehen. Der es recht kann, ist freilich ein doctor.
Trüge es sich dann zu, daß ein krancker bei gesun-
den tagen daß abentmahl versaumet und in seiner
schwacheit daßelbig begerte - obwohl spate rewen
zeitlich genug ist -, solle doch dem krancken solche
nachläßigkeit von dem dhiener, gleichwohl mit be-
scheidenem ernst undt ernstlicher bescheidenheit,
verwießen undt, da er beßerung zusagt, in beisein
dreier oder vier nachbarn oder freundt, daß in al-
wege sein solle, ihme der leib und blut deß herrn
mitgetheilt werden. Mit demjenigen aber, so christ-
lichen underricht undt vermahnungen nit annehmen
wollen, [soll], wie oben von kirchengericht gedacht,
verfahren werden.
Da auch der krancke also geschaffen, daß er vor
schmertzen des todts oder anderer ursachen daß
abendtmahl nit empfangen könte, ist es beßer, daß
mans ihme zu reichen underlaße, dann mit gefahr
gebe, darneben aber mit dem gebeth unndt göttli-
chem wortte desto fleißiger bei den umbstehenden
anhalte.

163 Num 6,24-26. 165 Mt 11,28.
164 Jes 50,4.

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