Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Bergholz, Thomas [Oth.]; Goeters, J. F. Gerhard [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 2. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30660#0147
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
21. Kirchenordnung [nach 1603]

den dörffern Gotts- |73v| kasten, wie der gottselige
könig Josias190 getahn unndt der h. apostel Paulus
geordnet hat,191 [aufstelle] und durch den glöckner
alle sonn- und feiertage eine gabe samlen laße, wel-
ches zu außgang jegliches virtel jahrs durch die dar-
zu verordnete geistliche undt weltliche eröffnet und,
was darin colligirt und befunden, soll zum theil un-
der die haußarmen, zum theil unter armen schülern
und beweißliche exulanten trewlich außgespendet
werden.
Wie wir auch hiemit daß nit unbilligen wollen, weil
die jetzige welt meinet, sie dörffen nit mehr, wie ihre
voreltern, etwaß in die kirchen testiren und verma-
chen192, daß, wo kirchendiener zu reichen und wohl-
habigen leuten undt sonderlich denen, so keine kin-
der oder leibserben haben, erfordert werden oder ih-
nen daß nachtmahl reichen sollen, aber nichts ex
proprio motu theten, sie von eim kirchendiener, et-
waß von ihrem zeitlichen gut, so sie ohne daß hinder
ihnen laßen müßen, in kirchen, schulen undt hospi-
talien zu legiren undt zu vermachen, bescheidentlich
ermahnt werden.
So sollen193 wir auch, wo sich ein pfarrer oder kir-
chendiener, [der sich] in seinem ampt trewlich und
fleißig gehalten undt sich der kirchen zum besten,
seines eigenen nutzen verzeihen, noch sich in welt-
liche, gewinsichtige händel geflochten (wie wir dann
in keinem wege gestatten, daß kirchendiener hand-
tierung treiben oder die wochen uber der feldtarbeit
immerdar undt zuviel nachlauffen, viel weniger sich
der welt gleich stellen und in wucherische und vor-
theilische händel einlaßen), alt, kranck |74r| unndt
gebrechlich würde, daß er seinem ampt nit mehr
könte obliegen, oder aber gar mit todt abgienge und
arme witwen undt weißen hinder ihm herließe, [daß]
man ihme undt denselben auß den kirchen etwaß zu
ihrer underhaltung und notturfft jährlich mittheilen
soll.
190 2Kön 22,3-7.
191 2Kor 8-9.
192 Konjektur aus: vermahnen.
193 Konjektur aus: sollen.
194 Mit Grenzsteinen markieren, vgl. Grimm, DWb 1,
Sp. 130.

Es begibt sich auch an etlichen orten, daß kein ver-
zeichnuß verhanden oder, da sie verhanden, keinem
kirchendiener nit behändiget wirt, waß er zu jährli-
cher besoldung an zehenden, geldt, frucht, ecker,
wießen, garten unndt dergleichen einnehmen soll,
undt also leichtlich bei einem newen, angehenden
kirchendiener etwas der pfarbesoldung möchte ab-
gezogen werden. Derhalben wollen wir, daß sowohl
ein superintendens alß eine herrschafft undt gemei-
ne aller pfarren einkohmen verzeichnuß haben undt
dieselbige alwege einem newen pfarrer schrifftlich,
wie oben vermehlt, zugestelt werde. Undt da es mit
einer oder mehr pfarkirchen also beschaffen, daß sie
an einkohmen so gering, [daß] sich ein kirchendiener
darbei allerdings nit betragen oder erhalten könte,
soll auß der andern, so waß ubrig haben, nach ge-
legenheit etwaß addirt undt zugeschoßen werden.
Wie wir dann hiemit unßern kirchenschaffnern, oder
welche der kirchen und derselben dienern waß zu
liefern schuldig sein, alles, so ihnen gebürt, es seie an
getreide oder zehenden, zur rechten zeit trewlich
ohn einigen vortheil undt betrug gehandtreichet
undt ge- |74v| liefert zu werden befehlen. Welche
auch jährlich ihre aufrichtigen rechnungen vor unß
oder unßern beampten unndt superintendenten, da-
mit niemandt in verdacht deß eignen genoß bey
unß, der ihren oder der gemeine komme, thun sollen.
Wo dann etwaß ubrig, soll es an gebürenden orten
zue noth auffgehaben werden.
Wo auch ein kirch liegende gütter, alß äcker, wie-
ßen, gärten, hecken und weingarten hette und nit
abgesteinet194 weren oder sonsten durch die fuhrleut
undt andere außgeackert, verweget unndt verängert
würden,195 dieselbe sollen von der gemeine jedes orts
in beysein eines kirchenschaffners oder kirchenju-
raten nit allein mit nothwendigen marcksteinen
umbsonst abgereinet196, sondern auch sowohl alß an-
derer gemeinsleuth güter durch der gemeinen schüt-

195 Dass die nicht oder nicht eindeutig markierten Grund-
stücke nach und nach durch benachbarte Privatgrund-
stücke oder vorbeilaufende Wege beschnitten würden.
196 Abrainen = ein Grundstück abgrenzen, vgl. Grimm,
DWb 1, Sp. 84.

643
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften