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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 2. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30660#0151
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22. Pestordnung 1612

Flecken bequemliche orter zu Gottsäckern erwehlen
undt die befrieden solten etc., werden sie selbsten
zweiffelesone noch wissen. Wie wiederspenstig her-
gegen sie sich erzeiget, indeme sie gemeynet, wann
sie nit bey ihren Voreltern begraben ligen, so were es
ihnen ein schandt oder sie weren ewig verlohren etc.
Und was mit solcher wiederspenstigkeit sie ihnen
vor unglück uber den Halß gezogen, ist leyder, Gott
erbarms, auch am tag. Wann wir es aber jezunder in
der eyll nicht endern können, allso ist unser ernst-
licher Befelch, daß in allen unßern dörffer die Kirch-
hoff alsobalten sperrhafft gemacht, den ganzen tag
über zugehalten undt zu dieser zeit niemandt eyn
gemeyne weg drüber gestattet werden solle bey
straff.
14. An denen orten, wo diese Seuch im Schwang ist,
soll man sich alles sonsten gewönlichen Leutens bey
den begrebnüssen enthalten außer Ursachen, daß
dardurch den blöden verzagten kein schrecken ein-
gejagt werden möge.
15. Wenn man die Gräber macht, sollen die Kirch-
höffe verschloßen pleiben und sollen alle Leichen,
wie sie fallen und auß welchen dörffern sie weren (da
mehr alß ein dorff | Begrebnuß an einen ortt hette)
nacheinander undt uff einer Rey gelegt undt be-
graben werden, außgenommen wo vor wenig Jare
frische Cörper hiengelegt, die noch nicht verwesen
weren; dern soll man schonen etc., damit es nicht uff
jedern ortt des Kirchoffs undt sonderlich bey den
Kirchthüren ein Gewühl geben möchtte.
16. Die Toden mag man frühe oder spät begraben,
doch alleweg des Morgendts vor sieben und des
Abents nach fünff Uhren, und ehe man die Leichen
auß dem Hauß tregt, soll man mit einer Glocken
alleyn ein Zeichen geben zu dem Endt, daß die ge-
sunde oder forchtsame sich allßdann der Strassen
enthalten undt keinen schrecken uberkommen mö-
gen. Kämen auch die Leichen von andern orten, soll
man einen ein gute weil vorher schicken, der das

f Eigenhändige Unterschrift.

Zeichen gebe, ehe die Leich recht bey das dorff der
Begrebnuß kömmet.
17. Weil wir auch glaublich berichtet werden, an vie-
len orten unserer Obrigkeit nicht ein einig
Bordt,5 darinn man die Toden versorgen möge, zu
bekommen sey etc., allso ist unßer ernstlicher Be-
felch, daß die Schultheißen undt Bürgermeistern
jedweden ortts dran seyen, innerhalb 4 tagen, nach
dem ihnen dieses zur Handt kommen wirdt, | eynen
Wagen Bordt, zween oder drey, nachdem ihr Ge-
meyndt groß oder klein ist, auß den gemeynen Ge-
fellen zu Bingen zu kauffen, in das dorff durch die
gemeynsleuth führen zu laßen und nachmalß denen,
so es bedörffen, umbs Gelt zuzustellen, bey unnach-
leßiger Straff, so eine Klage der Versäumnuß vor-
kommen solte.
18. Den inficierten Krancken zu wartten undt ih-
nen, wans nötig ist, zuzutragen, sollen etliche alte
undt herzhaffte Personen bestellet werden, die sich
auch der Gesunden, so viel möglich, enthalten undt
bey Leibstraff den selbigen keine ursach, schrecken
zu entpfangen, geben sollen.
Dieses vorgeschriebene soll ein jeder Pfarrherr sei-
nen Kirspelskindern vorhalten, darbey auch, wie
oben angedeutet, vor allen ding[en] fleißig zum Ge-
bett ermanen, daß man Gott in die Rute falle undt
die wohlverdiente straff ihme abbitte, werden allß-
dann auch gute Mittel durch seine Gnade undt
Hülff ihre Wirckung zur Gesundtheydt haben.
Undt daß diß unser ernstliche Meinung seye, darbey
wir bestendig halten undt die ubertretter gewiß
straffen wollen, haben wir unß mit eigenen Henden
underschrieben.
Datum Steinkallenfelß, den 16ten Septembris
Anno etc. 1612.
Juliana, Wildt- und Rheingraffin, witt[w]e.f

5 Brett, Bohle (wohl zur Herstellung der Särge), vgl. FWB
4, Sp. 783.

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