Kurpfalz
Gottesdienst erbat, wollte Johann Casimir ihnen St. Peter oder die Barfüsserkirche eingeräumt wissen. Aber
Tossanus bestimmte ihn dazu, in Wiederholung der Vorgänge von 1576 die Heiliggeistkirche als die grösste
der Stadtkirchen für das Bekenntnis des Landesherren zu beanspruchen. So wurde die lutherische Geistlich-
keit am 29. November 1583 in die Kanzlei beschieden und von Ehem mit diesem fürstlichen Begehren
vertraut gemacht. Die Antwort war Protest, denn die lutherischen Prediger fühlten sich an ihre auf die
kirchlichen Stellen spezifizierten Bestallungen gebunden, sie wiesen auf die mannigfachen praktischen
Schwierigkeiten, die sich im Falle ihrer Zustimmung ergeben würden, hin und begegneten dem von Ehem
ihnen auferlegten Kondemnationsverbot mit dem Hinweis auf ihre Verpflichtung zur Wahrung der reinen
Lehre, für die sie die Konfession des neuen Landesherren nicht halten könnten. Dieser Protest blieb fruchtlos.
Am 1. Dezember wurden mit einer Predigt des Johann Philipp Mylaeus in Heiliggeist der reformierte Got-
tesdienst eröffnet. Dem nun auf den Kanzeln der Stadt anhebenden Lehrstreit wollte der Administrator
durch ein Kolloqium zwischen Theologen beider Konfessionen in der Kanzlei in seiner Gegenwart am 4.
Dezember 1583 steuern. Doch weigerten die Lutheraner, als ihnen Tossanus die reformierte Anschauung über
Zweinaturen- und Abendmahlslehre vorzutragen unternahm, ein formloses Religionsgespräch und bestanden
auf einer zu protokollierenden Disputation. Die persönliche Zurückhaltung Johann Casimirs scheint ihnen
Hoffnungen gemacht und sie in ihrem Widerstande gegen dessen reformierte Ratgeber bestärkt zu haben.
Hatten die bisherigen Bemühungen der neuen Regierung und der reformierten Partei der Herstellung
eines schiedlich- friedlichen Verhältnisses der Konfessionen gegolten, so warf der nächste ihrer Schritte das
Problem der kirchlichen Gemeinschaft auf. Zum Jahreswechsel befahl der Administrator, in den Seniorrat
der Stadt reformierte Mitglieder zu gemeinsamer Amtsführung aufzunehmen und deren Namen in der
üblichen Weise nach Jahresbeginn auch in den lutherischen Kirchen der Stadt zu verkünden. Dem begeg-
neten die lutherischen Senioren mit zwei Eingaben, in der zweiten vom 20. Januar 1584 wiesen sie unter
Hinweis auf ihre bisherige, zur Beobachtung von lutherischem Bekenntnis und Gottesdienstordnung ver-
pflichtende Instruktion das fürstliche Ansinnen zurück. Darauf antwortete der Pfalzgraf mit einstweiliger
Suspendierung des Seniorrats.
Inzwischen hatten einige Unbedachtsamkeiten den Zorn Johann Casimirs gegen die renitenten Kir-
chenmänner geweckt und ihm Vorwände zu hartem Durchgreifen geliefert. So hatte der Generalsuperinten-
dent Petrus Patiens in einem Kirchengebet zum Antritt der neuen Regierung wohl wegen der umstrittenen
Vormundschaftsangelegenheit des Administrators nicht namentlich gedacht. In Heidelberg verglichen die
Hofprediger Johannes und Paulus Schechsius26 Johann Casimir mit Jerobeam und Ahab, in Oppenheim
eiferten Konrad Geraeus, ein Schwiegersohn des Flacius, und Gottfried Heshusen, ein echter Sohn seines
Vaters, in ähnlicher Weise gegen ihn und seine Beamten. Damit musste sich dem Pfalzgrafen die Einsicht
aufdrängen, dass die Zeit der Kompromissversuche vorüber und die Notwendigkeit harten Durchgreifens
unumgänglich sei. Nun folgen die Massnahmen Schlag auf Schlag. So wenig, wie Ludwig VI. einst den
letzten Willen seines Vaters geachtet hatte, so wenig gab Johann Casimir nun auf den des Bruders.
Am 4. Januar 1584 wurden die beiden Hofpredigerbrüder Schechsius, einst bei Ludwig VI. von beträcht-
lichem Einfluss, entlassen, an demselben Tag das Kirchenratsgemach verschlossen, da die Kirchenräte die
Loyalität verweigerten. Am 15. Januar wurde der Generalsuperintendent Petrus Patiens, „dieser hierzu-
Pfalz und nechst zu Heydelberg gehaltener Disputation
von dem h. Abendmal. [Neustadt a.d.H.] Matthäus Har-
nisch 1584 (Exemplare in Bayer. Staatsbioliothek Mün-
chen Nr. 4 Polem. 147 und Landesbibliothek Speyer 30.
2871) und: Wahrhaftiger gründlicher Bericht, was sich in
der churfürstlichen Pfalz, sonderlich in der Stadt Hey-
delberg mit Veränderung der Religion und Einführung
der calvinischen falschen Lehre, Abschaffung reiner Kir-
chendiener und Doctoris Grynaei calvinischen Disputa-
tion daselbsten verloffen. Wider den unwarhaften
Bericht der Heydelbergischen calvinischen Theologen...
Tübingen, Georg Gruppenbach, 1585 (Exemplar in Lan-
desbibliothek Speyer 30. 2871). Danach viele wörtliche
Auszüge bei Struve, S. 385-482.
26 Zu Paul Schechsius vgl. Teil Wild- und Rheingrafschaft,
Seite 523 Fußnote 28, außerdem oben Fußnote 8.
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Gottesdienst erbat, wollte Johann Casimir ihnen St. Peter oder die Barfüsserkirche eingeräumt wissen. Aber
Tossanus bestimmte ihn dazu, in Wiederholung der Vorgänge von 1576 die Heiliggeistkirche als die grösste
der Stadtkirchen für das Bekenntnis des Landesherren zu beanspruchen. So wurde die lutherische Geistlich-
keit am 29. November 1583 in die Kanzlei beschieden und von Ehem mit diesem fürstlichen Begehren
vertraut gemacht. Die Antwort war Protest, denn die lutherischen Prediger fühlten sich an ihre auf die
kirchlichen Stellen spezifizierten Bestallungen gebunden, sie wiesen auf die mannigfachen praktischen
Schwierigkeiten, die sich im Falle ihrer Zustimmung ergeben würden, hin und begegneten dem von Ehem
ihnen auferlegten Kondemnationsverbot mit dem Hinweis auf ihre Verpflichtung zur Wahrung der reinen
Lehre, für die sie die Konfession des neuen Landesherren nicht halten könnten. Dieser Protest blieb fruchtlos.
Am 1. Dezember wurden mit einer Predigt des Johann Philipp Mylaeus in Heiliggeist der reformierte Got-
tesdienst eröffnet. Dem nun auf den Kanzeln der Stadt anhebenden Lehrstreit wollte der Administrator
durch ein Kolloqium zwischen Theologen beider Konfessionen in der Kanzlei in seiner Gegenwart am 4.
Dezember 1583 steuern. Doch weigerten die Lutheraner, als ihnen Tossanus die reformierte Anschauung über
Zweinaturen- und Abendmahlslehre vorzutragen unternahm, ein formloses Religionsgespräch und bestanden
auf einer zu protokollierenden Disputation. Die persönliche Zurückhaltung Johann Casimirs scheint ihnen
Hoffnungen gemacht und sie in ihrem Widerstande gegen dessen reformierte Ratgeber bestärkt zu haben.
Hatten die bisherigen Bemühungen der neuen Regierung und der reformierten Partei der Herstellung
eines schiedlich- friedlichen Verhältnisses der Konfessionen gegolten, so warf der nächste ihrer Schritte das
Problem der kirchlichen Gemeinschaft auf. Zum Jahreswechsel befahl der Administrator, in den Seniorrat
der Stadt reformierte Mitglieder zu gemeinsamer Amtsführung aufzunehmen und deren Namen in der
üblichen Weise nach Jahresbeginn auch in den lutherischen Kirchen der Stadt zu verkünden. Dem begeg-
neten die lutherischen Senioren mit zwei Eingaben, in der zweiten vom 20. Januar 1584 wiesen sie unter
Hinweis auf ihre bisherige, zur Beobachtung von lutherischem Bekenntnis und Gottesdienstordnung ver-
pflichtende Instruktion das fürstliche Ansinnen zurück. Darauf antwortete der Pfalzgraf mit einstweiliger
Suspendierung des Seniorrats.
Inzwischen hatten einige Unbedachtsamkeiten den Zorn Johann Casimirs gegen die renitenten Kir-
chenmänner geweckt und ihm Vorwände zu hartem Durchgreifen geliefert. So hatte der Generalsuperinten-
dent Petrus Patiens in einem Kirchengebet zum Antritt der neuen Regierung wohl wegen der umstrittenen
Vormundschaftsangelegenheit des Administrators nicht namentlich gedacht. In Heidelberg verglichen die
Hofprediger Johannes und Paulus Schechsius26 Johann Casimir mit Jerobeam und Ahab, in Oppenheim
eiferten Konrad Geraeus, ein Schwiegersohn des Flacius, und Gottfried Heshusen, ein echter Sohn seines
Vaters, in ähnlicher Weise gegen ihn und seine Beamten. Damit musste sich dem Pfalzgrafen die Einsicht
aufdrängen, dass die Zeit der Kompromissversuche vorüber und die Notwendigkeit harten Durchgreifens
unumgänglich sei. Nun folgen die Massnahmen Schlag auf Schlag. So wenig, wie Ludwig VI. einst den
letzten Willen seines Vaters geachtet hatte, so wenig gab Johann Casimir nun auf den des Bruders.
Am 4. Januar 1584 wurden die beiden Hofpredigerbrüder Schechsius, einst bei Ludwig VI. von beträcht-
lichem Einfluss, entlassen, an demselben Tag das Kirchenratsgemach verschlossen, da die Kirchenräte die
Loyalität verweigerten. Am 15. Januar wurde der Generalsuperintendent Petrus Patiens, „dieser hierzu-
Pfalz und nechst zu Heydelberg gehaltener Disputation
von dem h. Abendmal. [Neustadt a.d.H.] Matthäus Har-
nisch 1584 (Exemplare in Bayer. Staatsbioliothek Mün-
chen Nr. 4 Polem. 147 und Landesbibliothek Speyer 30.
2871) und: Wahrhaftiger gründlicher Bericht, was sich in
der churfürstlichen Pfalz, sonderlich in der Stadt Hey-
delberg mit Veränderung der Religion und Einführung
der calvinischen falschen Lehre, Abschaffung reiner Kir-
chendiener und Doctoris Grynaei calvinischen Disputa-
tion daselbsten verloffen. Wider den unwarhaften
Bericht der Heydelbergischen calvinischen Theologen...
Tübingen, Georg Gruppenbach, 1585 (Exemplar in Lan-
desbibliothek Speyer 30. 2871). Danach viele wörtliche
Auszüge bei Struve, S. 385-482.
26 Zu Paul Schechsius vgl. Teil Wild- und Rheingrafschaft,
Seite 523 Fußnote 28, außerdem oben Fußnote 8.
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